Zweifel an Platanen-Plänen

Die Bürgerinitiative Platanen am Deich kommt ihrem Ziel für ein Volksbegehren näher. Doch was bedeutet ihre Alternative tatsächlich für den Hochwasserschutz in Bremen?

Eine Spundwand – der Senat glaubt nicht, dass sie die Lösung ist Foto: Störfix/Wikimedia CC

Von Lisa Bullerdiek

Die Bürgerinitiative ist ganz nah dran: 20.000 Unterschriften für den Erhalt der Platanen in der Neustadt (BI) haben sie gesammelt; nur noch 4.500 fehlen für einen Volksentscheid. 20.000 Menschen also hat die Initiative davon überzeugt, dass es zur Abholzung von 136 Bäumen am Weserufer eine Alternative gibt, indem sie ein eigenes Planungskonzept vorgelegt hat. Doch trotz des neuen Gutachtens: Die Positionen der Stadt und der BI bleiben unversöhnlich, jede Seite hält die Argumente der anderen für falsch.

Einig ist man sich: Der Deich muss gestärkt werden. Schon seit 2012 ist das bekannt, 2019 hat sich die Dramatik angesichts neuer Zahlen noch einmal erhöht: Der Klimawandel wird auf Bremen krasse Auswirkungen haben; die Kombination aus Hochwassern, Orkanen in Küstennähe und der Tide der Weser könnte zu einer Katastrophe führen.

Die Stadt ist sich sicher: Die Platanen müssen dafür gefällt werden. Nur so könne der Deich ausreichend aufgeschüttet und mit Betonstreben verstärkt werden. Oben auf der neuen Deichhöhe will die Stadt neue Bäume pflanzen. „Es gibt einfach keine Alternative aus unserer Sicht“, sagt Hauke Krebs. Er leitet die Stabsstelle, die für die Verbesserung des Hochwasserschutzes an dieser Stelle zuständig ist.

Die Bürgerinitiative hält dagegen. Seit Jahren kämpft sie um den Erhalt der Platanen. In ihrem Auftrag hat die Deichbaufirma CDM Smith einen neuen Plan erstellt.

Der Deich wird darin nicht neu aufgebaut, sondern mit sogenannten Spundwänden verstärkt. Das sind gekreppte Metallwände, die zum Beispiel an Baugruben oder Hafenbecken das Wasser zurückhalten. Unter bestimmten Umständen können sie aber auch zum Schutz gegen Hochwasser verwendet werden.

Die Spundwände allein reichen allerdings nicht aus. In ihrem Plan schreibt CDM Smith, dass zur Not mobile Elemente ergänzt werden: Vor oder während eines Sturms müsste die Feuerwehr flache Planken in bereits aufgebaute Pfähle schieben, Die Platanen könnten bleiben.

Halten die Platanen einer Sturmflut stand?

Doch Krebs hat deutliche Zweifel daran, dass dieser Plan den Hochwasserschutz in jedem Fall gewährleisten kann. „Mobile Elemente sind auf dieser Länge von 1,7 Kilometer gar nicht erlaubt“, sagt er. Im Falle einer Sturmflut käme die Warnung oft zu spät und selbst, wenn alle genug Zeit hätten, um sich vorzubereiten, sei es unverantwortlich: Bei einem Orkan könne man nicht erst noch unter Bäumen Planken einbauen. Außerdem könnten Äste auf die Mauer fallen und sie so beschädigen.

Schon beim Bau gebe es Probleme, sagt Krebs. Die Spundwände müssten in den Boden gerammt werden. Die Erschütterung könnte die nahe Häuserreihe beschädigen. Tatsächlich warnt auch die Fachliteratur. In einem Sammelband zu Spundwänden schreiben Kurt-Michael Borchert und Stephan Achilles: „Das Risiko von Schäden im Grundbau ist bekanntlich vergleichsweise sehr hoch.“

Ein weiteres großes Problem sind die Platanen an sich. Hochwasser und Sturm könnten die Bäume aus dem Deich reißen. Das steht etwa in einer Konferenzschrift des Bauingenieurs Ronald Haselsteiner zu Gehölz auf Deichen: „Schäden an und auf Erddeichen im Zusammenhang mit Gehölzen sind in der Literatur belegt und ausreichend dokumentiert“, schreibt er. Die DIN-Norm 19712 fordert deshalb, Deiche von Gehölzen freizuhalten.

Die BI bestreitet das alles. Der Plan sei sicher, zudem günstiger und weniger zeitintensiv als das Konzept der Stadt. Spundwände seien auf jeden Fall zulässig. In Bremen würden sie zum Beispiel hinter dem Weserstadion verwendet – allerdings ist die Wand dort nur etwa 750 Meter lang.

Die BI glaubt auch nicht, dass die Platanen aus dem Deich herausgerissen werden und ihn so zerstören könnten. Der Baumstatiker Lothar Wessolly habe festgestellt, wie stabil die Platanen noch seien. In einem Gastbeitrag im Weser Kurier schreibt Wessolly 2019 zur Richtlinie DIN 19712: „Ausnahmen sind möglich.“ Nicht beschrieben ist, warum gerade im Bremer Fall die Empfehlungen von Deich­bau­ex­per­t*in­nen übergangen werden sollen. Auf die Standsicherheit der Bäume im Fall einer Sturmflut geht Wessolly nicht ein.

Ab September will man miteinander sprechen

Die Expert*innen, die zur Kritik fachlich am besten Stellung beziehen könnten,bleiben still: Der zuständige Mitarbeiter der Firma CDM Smith ist im Urlaub und nicht zu erreichen.

Gerade haben BI und Baubehörde in einem moderierten Gespräch Verhandlungsregeln vereinbart. Mitte September wollen sie an einem runden Tisch sprechen. „Wenn jemand eine Alternative hat, dann nehmen wir sie natürlich ernst“, sagt Krebs. Ansonsten wolle er endlich über die Ausgestaltung der Pläne reden, nach jahrelangem Konflikt um die Platanen. Denn die Zeit dränge. „Wir planen für ein Ereignis, das so noch nicht passiert ist“, sagt er, „aber das heißt nicht, dass es nicht passieren kann.“