Biowinzer über die Flut an der Ahr: „Ich bin der Natur nicht böse“

Seit 30 Jahren bewirtschaftet Christoph Bäcker im Ahrtal ein Weingut. Nun fiel es der Flut zum Opfer. Wie geht es für den Biowinzer weiter?

Weinberge an einem Flussbett nach einem Hochwasser.

Weinberge in Marienthal, wenige Kilometer von Bad Neuenahr-Ahrweiler entfernt Foto: Thomas Frey/dpa

taz: Herr Bäcker, Sie sind Biowinzer in Ahrweiler, mitten im Katastrophengebiet. Wann haben Sie gemerkt, dass Unheil droht?

Christoph Bäcker: Das hat gedauert. Bei uns hat es nämlich gar nicht so fürchterlich geregnet. Die Regenmenge hätte allenfalls für ein leichtes Hochwasser gereicht. Es war die Flutwelle, die von der oberen Ahr kam, die Gefahr war schwer einzuschätzen. Ich habe im Fernsehen die Aussagen des Wetterdienstes verfolgt, aber diese Dramatik war nicht vorherzusehen. Richtig ernst wurde es erst am Abend, kurz vor dem Dunkelwerden. Der Pegel stieg rasend schnell, man konnte zugucken, wie ganze Uferbereiche im Wasser verschwanden.

Sind Sie in Panik geraten?

Nein. Wir hatten in unserem Betrieb, obwohl wir im Risikogebiet leben, noch nie einen Tropfen Hochwasser im Keller. Wir haben zuerst unsere Fahrzeuge in Sicherheit gebracht. Als das Wasser weiter stieg und über die Straße in unser Haus floss, haben wir die wichtigsten Unterlagen zusammengepackt: Impfausweis, wichtige Dokumente, Unterlagen für die Buchführung. Das haben wir in die obere Etage gerettet.

Viele Weingüter sind zerstört. Was ist von Ihrem übrig?

Nicht viel. Die abgefüllten Flaschen sind okay, die müssen wir nur neu etikettieren. Aber vor allem die Maschinen sind hinüber, der Gabelstapler, die Kelter, die Traubenmühle, die Pumpen, aber auch die Barriquefässer, die großen Holzfässer. Und wir haben kein Gas, kein Wasser, kein Strom, kein Internet. Natürlich machen mir auch die Weinberge große Sorgen, die ich nicht vor den jetzt um sich greifenden Pilzkrankheiten schützen kann.

Wegen der Feuchtigkeit im Ahrtal breitet sich der falsche Mehltau aus. Jetzt werden aus Hubschraubern Fungizide gesprüht, um den Jahrgang 2021 zu retten …

… meine eigenen Bioflächen werden wohl auch besprüht, dagegen kann ich mich nicht wehren. Es ist vermutlich die einzige Möglichkeit, damit wir im Herbst überhaupt etwas ernten können. Am Montag kommen Kollegen von der Mosel, die mir hoffentlich helfen, meine Weinberge ökologisch korrekt übers Jahr zu bringen.

Es gibt vielleicht keinen richtigen Biowein, aber wenigstens eine Ernte?

Ich hoffe auf eine Sondergenehmigung für meine Bioweine. Diese Katastrophe ist nun wirklich ein Härtefall, den ich nicht verschuldet habe.

Können Sie den 2021er Jahrgang bei befreundeten Winzern ausbauen?

Das wird schwierig. Da müsste ich die Trauben an die Mosel fahren. Die meisten Weingüter im Ahrtal liegen direkt am Fluss, nur ein einziges auf dem Berg. Die hat es voll erwischt. Wir brauchen jetzt Ersatzmaschinen und Lagertanks, dann müssen wir hoffen, dass es überhaupt noch etwas zu ernten gibt.

Jahrgang 1961, führt ein kleines Familien-­Weingut in Ahrweiler.

Sie sind seit 1990 Biowinzer, sie waren der Erste an der Ahr, Sie haben sich mit der Natur verbündet. Jetzt hat die Natur ihre Existenz attackiert. War alles Engagement vergeblich?

Ich kann der Natur nicht böse sein. Die Natur ist genau so, wie die Menschheit sie zugerichtet hat. Wir müssen jetzt die Ärmel hochkrempeln und weitermachen, auch wenn es schwerfällt. Ich habe familiäre Unterstützung, bin einigermaßen abgesichert, selbst wenn dies der Todesstoß für meinen Betrieb war.

Kann Ihr Weingut ohne Abrissbirne wieder instandgesetzt werden?

Ich hoffe, es geht ohne Abrissbirne, aber ich weiß nicht, ob der Betrieb am Leben bleibt. Werden sich die Weinberge erholen? Gibt es eine Ernte? Wann kann ich wieder Wein verkaufen? Wann kommen wieder Besucher ins Ahrtal? Es wird viele Monate dauern, bis die Schäden halbwegs beseitigt sind. Diese Zeit zu überbrücken, das kann ich mir gegenwärtig nicht vorstellen.

Wie sieht es aktuell mit den Grundbedürfnissen aus: essen, trinken, schlafen, duschen, Toi­lette benutzen?

Wir sind ganz in der Nähe in einer Schule untergekommen. Später können wir vielleicht bei Freunden unterschlüpfen. Unser eigenes Haus ist hoffentlich nicht unbewohnbar, da müssen jetzt die Statiker ran. Zum Glück liegen Küche und Schlafzimmer im oberen Geschoss und sind unversehrt. Aber wenn ich in den Weinkeller gehe, dann kommen mir die Tränen.

Wie geht es Ihnen, wenn Sie Herrn Laschet zuhören, der hier durch den Schlamm marschiert und sich als Klimaschützer inszeniert?

Tut mir leid, aber das ist einfach lächerlich. Das sind dieselben Sprüche, die nach jedem Hochwasser und nach jeder Katastrophe kommen. Die Lehren, die wir jetzt ziehen sollten – da passiert nichts. Der Kohleausstieg wird irgendwann kommen, viel zu spät. Das macht einen nur noch wütend.

Die Solidarität ist gewaltig, auch aus dem Ausland kommen viele Hilfsangebote. Halten die Winzer in der Krise zusammen?

Ich glaube schon, dass diese Katastrophe die Winzer zusammenschweißt. Meine Sorge ist allerdings, dass die Solidaritätswelle schnell wieder verebbt. Wir brauchen Hilfe über einen langen Zeitraum.

Was können unsere Le­se­r:in­nen den betroffenen Weingütern Gutes tun?

Bioweine von der Ahr trinken! Das wäre die größte ­Unterstützung. Das ist noch befriedigender als finanzielle Hilfe.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Wir würden Ihnen hier gerne einen externen Inhalt zeigen. Sie entscheiden, ob sie dieses Element auch sehen wollen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.