25 Jahre Klonschaf Dolly: Fanal aus Schottland​

Vor 25 Jahren wurde Schaf Dolly geboren, der erste Klon aus den Zellen eines erwachsenen Säugetieres. Bis heute ist diese Technik höchst anfällig.

Klon-Schaf Dolly schaut in die Kamera

Klonschaf Dolly im Januar 2002 Foto: Jeff J. Mitchell/reuters

BERLIN taz | Der Dolly-Schock kam mit Verspätung. Eigentlich war das geklonte Schaf schon am 5. Juli 1996, also vor genau 25 Jahren auf die Welt gekommen. Doch das schottische Forscherteam des Roslin-Instituts bei Edinburgh ging erst sechs Monate nach der Geburt an die Öffentlichkeit; sie machte die Sensation im Februar 1997 bekannt. Da war Dolly kein knuffiges Lämmchen mehr, sondern schon ein ziemlich großes Schaf.

Die Veröffentlichung fiel in eine Zeit aufgeregter Sorgen um die „Umschöpfung“ der Natur und womöglich sogar des Menschen durch Genmanipulationen und eine schrankenlose Biotechnologie. In dieser aufgeladenen Stimmung war das erste geklonte Säugetier ein Fanal und entsprechend rasant stürmte das Schaf auf die Titelseiten.

Dolly war ein Durchbruch, die Botschaft unmissverständlich: Der Mensch bemächtigt sich endgültig auf perfide Art und Weise der Reproduktion seiner Nutztiere, um sie ganz nach seinen Wünschen zuzurichten. Dass man das geklonte Schaf in alter Machomanier auch noch nach dem „Busenwunder“ Dolly Parton benannt hatte, wurde dagegen kaum thematisiert. Die Forscher hatten die Spenderzelle aus dem Euter des Mutterschafs gewonnen und wollten mit der Namensgebung entsprechende Verbindungslinien ziehen.

Die Erlöserphantasien, die sich um das Klonschaf rankten, waren zunächst grenzenlos. Nutztiere mit besonders guten Eigenschaften, so hieß es, könnten tausendfach kopiert, die Ställe mit lauter Turbotieren gefüllt werden. Die Gentechnik mit ihren oft miserablen, weil unkalkulierbaren Ergebnissen sollte jetzt durch die Klonierung ersetzt werden. Erfolgreiche Rennpferde könnten dupliziert werden, auch dem geliebten Schoßhündchen wäre kurz vor seinem Tod noch schnell eine Zelle zu entnehmen, um ein identisches Nachfolgetier zu erschaffen. Eine südkoreanische Firma hat diesen Kopier-Service tatsächlich angeboten, sie hatte aber wenig Erfolg.

Höchst anfällige Technik

Die Klontechnik selbst erschien plötzlich kinderleicht. Man entnimmt aus der Zelle eines Spendertiers den Zellkern und überträgt ihn in eine zuvor entkernte Eizelle. Diese pflanzt man einem Leihmutter-Tier ein, das den Klon austrägt und zur Welt bringt. Fertig ist ein Tier mit drei Müttern. Dass diese Technik höchst anfällig ist und dass die schottischen Forscher 277 Schafsembryonen verbraucht hatten, um Dolly zur Welt zu bringen, wurde erst später bekannt.

Erst viele Jahre nach Dollys Geburt veröffentlichte die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit einen Report, der die Krankheitshäufigkeit und Anfälligkeit von Klontieren eindrucksvoll offenlegte. Mehr als 95 Prozent der geklonten Tiere erwiesen sich als nicht überlebensfähig. Fehlbildungen innerer Organe und ein gestörtes Immunsystem traten immer wieder auf. Auch Dolly selbst wurde ein Opfer der Klontechnik, litt früh an Gelenkschmerzen und starb, nachdem es etliche Lämmer zur Welt gebracht hatte, im Februar 2003 schon nach einem halben Schafsleben im Alter von sechs Jahren an einem Lungentumor.

Dennoch ist die Dolly-Methode auch bei vielen anderen Säugetieren immer wieder angewandt worden, bis heute sind es mehr als 20 Tierarten: von Ziege, Schwein, Rind und Kaninchen über Hund und Katz bis zu Maus und Ratte. Die befürchtete massenhafte Vervielfältigung von bestimmten Nutztieren hat bis heute indes nicht stattgefunden. Schnell hatte das Europäische Parlament gegen den Einsatz klonierter Tiere in der Lebensmittelproduktion votiert und auch die Einfuhr geklonter Nutztiere für entsprechende Zwecke wurde untersagt.

Heute werden Klontechniken vor allem in der medizinischen Forschung angewandt. Genetisch identische Versuchstiere kommen etwa in der Arzneimittelentwicklung zum Einsatz. Neuere Forschungsarbeiten wollen nun herausgefunden haben, dass sich die Überlebensfähigkeit geklonter Tiere verbessert habe bis hin zu einer normalen Lebenserwartung.

Klontechnik rückt immer näher an den Menschen heran

Letztlich stand die Urangst vor geklonten Menschen hinter der Aufregung um Dolly. Diese Ängste wurden auch auf anderen Feldern immer wieder befeuert. Die Schlagworte: Therapeutisches Klonen, das Gewinnen embryonaler und pluripotenter Stammzellen, die Um-Programmierung von Körperzellen – die Büchse der Pandora war stets gut gefüllt!

2018 folgte dann ein neuer Durchbruch. Chinesische Forscher der Akademie der Wissenschaften in Shanghai hatten Makaken-Äffchen geklont. Damit war die Klontechnik wieder ein Stück näher an den Menschen herangerückt, auch wenn es keine Menschenaffen waren.

Das erste geklonte Schaf namens Dolly bleibt auch 25 Jahre „danach“ unvergessen. Schon allein, weil die Dolly-Methode des Klonierens durch „Kerntransfer“ nach ihm benannt ist. Außerdem wurde es ausgestopft und im schottischen Nationalmuseum ausgestellt.

Die Aufregung um die Klontechnik ist gewichen. Im medialen Gewitter haben andere Perversionen um unsere Nutztiere – vom Kükenschreddern bis zum betäubungslosen Ferkel-Kastrieren – mehr Aufmerksamkeit gewonnen. Und die Biotechnologie hat mit der Genschere Crispr/Cas ein neues anderes Instrument in die Hand bekommen, um die Natur nach ihren Wünschen umzubauen.

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