Investoren entdecken Deutschland

Die entflochtene Deutschland AG erweist sich als lukrativer Anlageplatz für internationale Kapitalfonds. Seit Jahresbeginn investierten Private Equity Fonds 13 Milliarden Euro. Vor allem Immobilien sind beliebt. Erwartete Rendite: bis zu 40 Prozent

VON SEBASTIAN SEIFFERT
UND KATHARINA KOUFEN

Deutschland wird für Geldanleger immer interessanter. Das ist das Ergebnis einer Studie, die die Wirtschaftsprüfer von Ernst & Young gestern in Frankfurt vorstellten. Im ersten Halbjahr 2005 waren die Investitionen so genannter Private Equity Fonds (PE) mit fast 13 Milliarden Euro so hoch wie noch nie. Bestes Beispiel: Tank und Rast, der größte Betreiber von Autobahnraststätten, wurde 2005 von der britischen Terra Firma übernommen.

Die Fonds bündeln Gelder von privaten Investoren und stecken sie gezielt in Unternehmen, die in Schwierigkeiten sind. In Deutschland geriet diese Art der Geldanlage in die Kritik, als SPD-Chef Franz Müntefering sie als „Heuschrecken“ beschimpfte, weil sie nur kurzfristig an Gewinnen orientiert sind. Häufig wird das übernommene Unternehmen zerschlagen und „abgespeckt“. Die sanierten Kernbereiche werden anschließend an der Börse verkauft.

Noch in den 90er-Jahren hatten die Geldanleger wenig Interesse an Deutschland. Im rheinischen Kapitalismus herrschte ein enges Geflecht aus Unternehmen, Banken und politischer Kontrolle. Der klassische Betrieb finanzierte sich über Kredite bei seiner Hausbank. Sicherheit ging vor Rendite. Mittlerweile jedoch geht es vielen Unternehmern schlecht. Weil die Banken nach dem Börsencrash zum Teil selbst angeschlagen sind und genau prüfen, wem sie überhaupt noch Geld leihen, sind immer mehr Betriebe auf Finanzierung über Fonds angewiesen. Erst die von Rot-Grün betriebene „Zerschlagung der Deutschland AG“ machte deutsche Firmen für Anleger attraktiv.

Und das wird vorerst so bleiben. Laut Ernst & Young ist der deutsche Markt momentan „aus Sicht der Investoren noch lange nicht ausgereizt“. PE-Experte Joachim Spill: „Er verspricht sowohl ein hohes Entwicklungspotenzial als auch hohe Renditen.“

Besonders beliebt ist die Immobilienbranche. So ist auch die Rekordsumme von 13 Milliarden Euro vor allem durch einen Riesendeal zustande gekommen: Den Verkauf der Eon-Immobilientochter Viterra an den PE-Fonds Deutsche Annington für gut 6 Milliarden Euro.

Den Mietern der 230.000 ehemaligen Viterra-Wohnungen dürfte der Besitzerwechsel erst einmal egal sein. Der deutsche Mieterbund rechnet kurzfristig mit keinen wesentlichen Folgen. Erst nach mehreren Jahren, wenn sich die Renditen der Fonds nicht mehr im zweistelligen Bereich bewegen, gerieten die Investoren unter Druck, meint Sprecher Ulrich Ropertz. Dann könne problematisch werden, dass sich ein „Investor nicht um gute Nachbarschaften schert, sondern Wohnraum als reines Wirtschaftsgut sieht“. Und: Jeder dritte Viterra-Angestellte fürchtet um seinen Job.

Dorothea Schäfer, Bankenexpertin beim Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung, prognostiziert: Das Angebot an günstigen Mietwohnungen werde durch diese Übernahmen zurückgehen. „Die Investoren versuchen, den Wert der Wohnungen zu erhöhen. Das geht am besten mit Eigentumswohnungen.“

Trotz aller Kritik an den Beteiligungsgesellschaften, die aus Betriebskrisen Geld machen und Renditen von bis zu 40 Prozent für ihre Anleger erzielen: PE-Fonds, so Schäfer, kämen oft als „letzte Retter“, wenn Banken keine Kredite mehr geben. Mit ihrem Geld könnte ein Teil der Arbeitsplätze erhalten bleiben.