Lern- und Gedenkstätte in Berlin-Dahlem: Nicht einfach entsorgen

Die Forderung, das ehemalige KWI-Institut in Dahlem zu einer Gedenkstätte umzubauen, steht im Raum. Noch befindet sich die Debatte am Anfang.

Auf der Rückseite des ehemaligen des früheren Kaiser-Wilhelm-Instituts stehen drei PKW

Die Rückseite des ehemaligen Kaiser-Wilhelm-Instituts in Berlin-Dahlem Foto: Bernd Oertwig/Schroewig/picture alliance

Wie viel Nähe bedarf es für authentische Erfahrung? Wie viel Quadratmeter müssen zwischen historischem Ort und angenommener Gefühlslage liegen? Und wo dient ein „Faktencheck“ nicht der Aufklärung, sondern dazu, unwillkommene Forderungen abzuwehren? Zum Beispiel die an die Max-Planck-Gesellschaft (MPG), die, statt sich proaktiv in die Debatte um den Gedenk- und Lernort Dahlem einzuschalten, Verantwortung verschiebt und die „unbequemen Knochen in Dahlem“, von denen vergangene Woche auf dieser Seite berichtet wurden, möglichst geräuschlos zu entsorgen.

Die Erfahrungsnähe wird Jona Laks, einer der letzten Überlebenden der Zwillingsexperimente in ­Auschwitz, wohl niemand in Abrede stellen wollen. 2001 war sie mit anderen Opfern der biowissenschaftlichen NS-Verbrechen eine Woche lang zu Gast im MPG-Forschungsprogramm zur Geschichte der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft im NS. Sie besuchte das ehemalige Gelände des Kaiser-Wilhelm-Instituts für Anthropologie, menschliche Erblehre und Genetik (KWIA) und das Archiv in der Boltzmannstraße, bevor sie als Repräsentantin der „Mengele-Zwillinge“ bei der Gedenkveranstaltung der MPG die Erinnerung an diese Verbrechen einforderte. Wie Eva Mozes Kor, die später für eine TV-Dokumentation auf der Treppe des KWIA stand, hatte sie keine Ahnung davon, was der ehemalige Institutsgarten beherbergt.

Im genannten Beitrag wurde eingangs darüber sinniert, was die Frauen wohl empfunden hätten, wäre ihnen bewusst gewesen, dass sie wohl auf den vergrabenen Knochen des KWIA standen, die nun allmählich freigelegt werden. Nun hat es sich der interviewte Berthold Neizert von der Max-Planck-Gesellschaft angelegen sein lassen, festzustellen, dass „die öffentliche Entschuldigung der MPG und das Gespräch des MPG-Präsidenten mit den Opfern am 7. Juni 2001 in der Fritz-Haber-Villa, Faradayweg 8, und nicht auf dem Gelände des ehemaligen KWIA, Ihnestraße 22/26 stattgefunden“ habe.

So viel Genauigkeit muss sein. Die Generalverwaltung der MPG hätte ja eher den Teufel berufen als den FU-Präsidenten damals zu bitten, das kontaminierte Gebäude, um das es nun diesen Wirbel gibt, für einen solchen Bittgang zur Verfügung zu stellen.

Zur Eröffnung des Dokumentationszentrums „Flucht, Vertreibung, Versöhnung“ hat Bundeskanzlerin Angela Merkel kürzlich angemahnt, dass Erinnerung eines Ortes bedürfe. Auf 5.000 Quadratmetern wird dort derer gedacht, die in Kriegen ihre Heimat verlassen mussten. Deshalb sollten menschliche Überreste aus Auschwitz oder anderswoher nicht mehr unbeachtet neben einem Berliner Krematorium entsorgt werden.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.