Unterwegs mit dem Grünen-Chef: Habecks Kichererbsenaffäre

Keine Ahnung von Falafel, immer neue Reden, nicht mittelmäßig genug: Es gibt gute Gründe, die gegen Robert Habeck sprechen.

Robert Habeck mit Sonnenbrille

Majestät brauchen Sonne: mit Robert Habeck auf Küstentour Foto: Frank Molter/dpa

Die Minderjährige, die zu meiner Infektionsgemeinschaft gehört, findet, dass ich selbstständiger werden muss und lernen sollte, auch mal allein in die Ferien zu fahren. Sie hat nämlich in diesem Jahr etwas anderes vor. Normalerweise sind meine Urlaubstage damit gefüllt, für WLAN zu sorgen, meine Geldbörse zu öffnen und mich um Unterhaltungsangebote sowie um ihr leibliches Wohl in Form von Cheeseburgern, Pizza oder Eis zu kümmern. Was also tun mit dieser neuen Verantwortungslosigkeit?

Zum Glück flatterte ein Reiseangebot der Grünen ins Haus: Küstentour mit Robert Habeck, dem Nicht-Kanzlerkandidaten. Wenn man wild zeltet und mit der Fahrradflasche duscht, ist es auf jeden Fall günstiger als eine taz-Reise. Die Anfahrt muss man bedauerlicherweise selbst organisieren und wird dafür nicht mal mit veganen Matjes-Schnittchen aus der Region belohnt.

Grundsätzlich muss hier angemerkt werden, dass eine Reise mit Annalena Baerbock natürlich relevanter gewesen wäre. Aber ihr großer E-Wahlkampfbus wird Gerüchten zufolge gerade noch umlackiert. Die riesigen Fotos dürfen aus Nachhaltigkeitsgründen bleiben, aber statt Kanz­ler*­in­kan­di­da­tin wird nur noch „Die Kandidatin“ draufstehen. Könnte ja dann alles sein: Spitzenkandidatin, Direktkandidatin, Wer-Wird-Millionär-Kandidatin. Immer gut vorbereitet, das Baerbock-Team.

Die Küstentour dagegen: Ein Ohne-Bild-Minibus und ein maulender Nicht-Kanzlerkandidat, der lieber mit dem Fahrrad und der Bahn gefahren wäre als mit dem Auto. Erste Station: Sylt. Zeit für ein weißes Hemd und seriöse Nicht-Kanzlerkandidaten-Schuhe aus braunem Leder. Es ist brechend voll.

Mit dem Rücken zum Wasser

Und hier, in seiner ersten Wahlkampfrede, beginnen sie: die vier Gründe, die gegen Habeck sprechen. Erstens: Er glaubt, Falafel bestünden aus Weizenmehl. Aus Weizenmehl! Über mangelnde Sachkenntnis in Nahostfragen ist schon so mancher Politiker gestolpert. Die Kichererbsenaffäre stellt seine außenpolitische Kompetenz brutal in Frage.

Nach seiner Rede geht der Nicht-Kanzlerkandidat durch die Sylter Fußgängerzone zum Strand. Da alle, inklusive der Tou­ris­t*in­nen aus Wanne-Eickel, Hannoversch Münden und Berlin-Waidmannslust, sehen wollen, wo es denn auf Sylt Falafel aus Weizenmehl gibt, läuft ein breiter Menschenstrom einfach hinterher. Es sieht aus wie beim Rattenfänger von Hameln. Doch Habeck lässt sich nur in den Sand plumpsen, mit dem Rücken zum Wasser. Es hat rein gar nichts damit zu tun, dass die herumschwirrenden Kameraleute und Fo­to­gra­f*in­nen auf diese Weise schöne Bilder bekommen: der Mann und das Meer.

Neuer Tag, blaues Hemd, dieselben Nicht-Kanzlerkandidaten-Lederschuhe. Das Handy klingelt: Die Minderjährige hat eine Krise, die sofortige telefonische Aufmerksamkeit erfordert. Mein Rat ist gefragt. Ich bin verwirrt. Mein Rat? Jetzt heißt es, etwas Schlaues oder wenigstens Cooles zu sagen. Darüber verpasse ich die Fähre nach Amrum. Auf Föhr hole ich den Ohne-Bild-Minibus wieder ein.

Zum Kühemelken schicken

Und hier ist er, der Grund Nummer zwei, der gegen Habeck spricht. Er sagt Dinge wie: „Da können Sie sich ein Ei drauf pellen.“ – „Kokolores“ – „Wir müssten ja mit dem Klammerbeutel gepudert sein.“ Jetzt geht es mir wie Baerbock. Ich würde den Nicht-Kanzlerkandidaten gerne zum Kühemelken schicken.

Dritter Tag, schwarzes Hemd, noch immer keine Turnschuhe. Es geht nach Husum auf den Marktplatz. Ich bin langsam genervt. Schon wieder eine andere Rede! Schon wieder eine halbe Stunde mitschreiben! Hier also der dritte Grund, der gegen Habeck spricht: Wir sind es in Deutschland gewohnt, die immer gleichen Sätze von unseren Po­li­ti­ke­r*in­nen zu hören. Und ab und zu wird ein neuer eingeworfen, den man dann mitschreiben und mit dem man sich befassen kann.

Vierter Tag, Jeanshemd, Friedrichstadt. Deutschland säuft ab. In meiner Heimatstadt Hagen schwimmen Autos und Mülltonnen die Straßen runter. Habeck will nicht in die Katastrophenregion fahren: „Es ist jetzt die Stunde der Retter und nicht die von Politikern, die auch noch aufs Bild wollen.“ Und später in Kiel: Naturkatastrophen habe es schon immer gegeben. „Aber die Dichte an singulären Ereignissen ist ein starker Indikator dafür, dass sich etwas ändert.“ Das sei der Kern, darum gehe es bei dieser Wahl.

Baerbock unterlegen

So, hier haben wir also Grund Nummer vier. Die Deutschen mögen Politiker*innen, die so sind wie sie selbst. Deshalb ist Kanzlerin Angela Merkel über viele Jahre so erfolgreich gewesen. Sie brilliert nicht. Habeck ist nicht mittelmäßig genug. In dieser Hinsicht ist er Baerbock unterlegen.

Die Minderjährige findet, ich habe lang genug Ferien gemacht. Sie kommt bald wieder und erwartet einen vollen Kühlschrank. Wie heißt der Mann noch mal, der nicht Kanzler wird, fragt sie. „Habi? Bertie?“ Bei der nächsten Bundestagswahl darf sie wählen. Es gibt noch viel zu tun.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Kommentatorin & Kolumnistin, Themen: Grüne, Ampel, Feminismus, Energiewende, Außenpolitik

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.