wortwechsel
: Vor uns – die Sintflut? Das Unvorstellbare denken?

Es war nicht die erste Überflutung in Deutschland, es wird nicht die letzte gewesen sein. Trauer, Angst, Entsetzen in den zerstörten Gebieten. Sind solche Katastrophen vermeidbar?

Altenahr im Kreis Ahrweiler. Fast alle Straßen und alle Bahngleise sind unbefahrbar. Das einst so idyllische Städtchen trauert um Verunglückte und verlorene Existenzen Foto: Björn Kietzmann

Masters of Disaster

„Das Ende des Wohlfühlwahlkampfs“,

taz vom 16. 7. 21

Wenn die Trauer und das Entsetzen weichen, wird sich Wissenschaft wieder bewähren. Mit Wumms wird ein Anteil Wut über die Wahrheit hinter der Katastrophe offenbar werden. Wer – mit Wohlwollen und Willen zum Machterhalt – der Wirtschaft stets die Stange gehalten hat und früher sämtliche Warnungen der Wissenschaft zu Klimawandel und ökologischem Fußabdruck in den Wind schlug, kann nicht als Heils­brin­ge­r*in reüssieren. „Master of Disaster“ ist ein Titel, der keine Eh­ren­dok­to­r*in­nen­wür­de widerspiegelt, Krisenmanagement ist gefragt. Im Club Union der Prokrastination sind Beschwichtigen und Aussitzen probate Kö­ni­g*in­nen­dis­zi­plin seit Jahrzehnten, wenn es um wahrlich schmerzhafte Einschnitte für Wirtschaft und Wahlvolk geht. Die Wucht des Wassers hat in Landschaften physisch und in die Herzen der Betroffenen psychisch tief hinein geschnitten. Das ist weit mehr als der berühmte Schuss vor den Bug. Martin Rees, Dortmund

Wir haben es verbaut!

Durch die permanente, jahrhundertealte Begradigung von Flüssen hat sich das Wasser in seiner Fließgeschwindigkeit beschleunigt, parallel haben sich die Wassermengen bei Starkregen erhöht und Ausweichflächen wurden verringert, die eigentlich schon immer dazu dienten, dem Wasser vorübergehend den Druck zu nehmen. Last but not least wurden und werden immer mehr Flächen bebaut und verdichtet, die Versiegelung bietet dem Wasser nicht mehr die Möglichkeit, zu versickern. Und letztendlich hat die Politik immer große Worte, aber die notwendigen Investitionen in Deiche und Brücken, sie blieben aus. Der Klimawandel mag auch seine Auswirkungen haben, aber es ist vor allem der Mensch selbst, der sich im Wege steht. Den betroffenen Menschen nützen diese Erkenntnisse nichts – ihnen muss jetzt schnell und unbürokratisch geholfen werden. Sven Jösting, Hamburg

Nichts tun – wird teuer

So viel mehr Wissen – und so wenig Tun … Zur Geschichte: Bericht des Club of Rome, Grenzen des Wachstums (1972), 1988 Gründung des IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change der UN). Vielleicht wurde bei der Diskussion um die Kosten für Klimaschutzmaßnahmen nicht deutlich genug gesagt, welche Kosten entstehen, wenn wir nichts tun.

Das dürfte jetzt klarer werden.

Gabriele Schütz-Lembach, Aachen

„Flutkatastrophe und Klimawandel: Das unbewohnbare Haus. Die Klimakata­strophe findet nicht nur in Bangladesch und am Pol statt, sondern nebenan. Spätestens jetzt muss sich alles ändern“, taz vom 19. 7. 21

Welche Infrastruktur?

Die aktuelle Hochwasserkatastrophe ist nur zum Teil auf den Klimawandel zurückzuführen. Ein erheblicher Teil des Problems ist die vom Menschen gebaute Infrastruktur und das Wasser-Missmanagement. Durch Wasserretention lassen sich solche extremen Hochwasser vermeiden, die austrocknenden Weinberge pumpenfrei bewässern, Artenvielfalt und touristischer Naherholungswert steigern. Lösungsansätze: www.wasserretention.de Julian Stolte, Permakulturgestalter, Traben-Trabach

Und taz.de schreibt …

Wenn Deutschland maximale Anstrengungen unternimmt und vielleicht 500 Milliarden Euro in Co2-Reduktion investiert, so würde damit der weltweite CO2-Abdruck um nicht einmal 1 Prozent gesenkt. Das wären aber 500 Milliarden weniger für Schulen, für Bildung, für Gesundheit, für bessere Chancen, bessere Infrastruktur … Man kann Geld nur einmal ausgeben. Man könnte für 500 Milliarden auch Dämme bauen, Wasserspeicher für Trockenzeiten, gegen Hitze und Dürre resistente Pflanzensorten züchten. Damit würde man zwar nicht Bangladesch retten, das kann Deutschland ohnehin leider nicht, aber zumindest Deutschland. Paul Rabe

Genau in dieser Logik tickt der Mensch! Außerhalb der aktuellen deutschen Katastrophengebiete ist es jedem völlig egal, denn es hat ihn ja nicht betroffen, so wie es uns zuvor egal war, wenn Bangladesch versinkt oder der Eisbär am Pol absäuft. Was hilft? Von oben nach unten, unter Zuhilfenahme der Wissenschaft durchregieren und keine Angst vor Verbotsdiskussionen. Tom Farmer

Es scheint, wir unterliegen alle einer totalen Ideologie. Und alle Angst wird ertränkt in Brot und Spielen. Alles und jedes wird konsumgerecht aufbereitet. Wir sind nicht einmal mehr Zerrissene. Georg Seider

Warum sollte sich etwas ändern? Die unmittelbar Betroffenen sind anderweitig beschäftigt, und die meisten Wähler sind nicht betroffen. Jetzt feine Worthülsen, dann etwas abwarten, und nach drei Monaten mit anderen politischen Zielen wedeln. Abwägen, und weiter Placebo-Klimaschutz. Warum sollte es anders laufen? Mensch Meier

Es geht eben nicht mehr mit „Weiter so!“ Also auf Sicht regieren und Klimaschutz bremsen. Meiner Meinung nach haben wir keine Zeit mehr für die CDU.

Nilsson Samuelsson

Wer wird mitmachen?

Meine persönliche Konsequenz lautet: Wir müssen alles dafür tun – in unserer Not –, einen Zusammenschluss aller Umweltbewegungen von Nabu über Greenpeace, Attac, BUND. Deutsche Umwelthilfe, ADFC, VCD, ProBahn herbeizuführen, zur Not sogar mit dem ADAC, um angesichts dieses verrückten und wirklichkeisfremden Wahlk(r)ampfes Druck aufzubauen, Forderungen zu stellen, vielleicht einen Klima-Lockdown vorzubereiten. Ohne Verzicht wird es nicht gehen, und so überzeugend sind die angeblich so überlegenen Technologie-Vorschläge der Industrie nicht – wir müssen uns zusammenschließen, um letztlich über Volksentscheide und neue Parteien die Weichen für eine wirksame Klimapolitik zu stellen, die diesem Auftrag auch gerecht wird. Machen taz-Leser da vielleicht auch mit?

Dietmar Rauter, Kronshagen