Flutkatastrophe in Westdeutschland: „Wettermaschinerie aus dem Takt“

Meteorologe Özden Terli erklärt, was Tief Bernd mit Klima­wandel zu tun hat. Er erwartet immer wieder Sommer mit Sturzregen – und Dürrejahre.

Wasser quillt aus einem Kanaldeckel, davor ein rotes Warndreieck

Zu viel Beton: überquellender Kanaldeckel in Rheinland-Pfalz Foto: Harald Tittel/dpa

Tief „Bernd“ treibt schwere Gewitter über Deutschland, bringt sturzflutartige Regengüsse, spült Häuser weg. Es gibt Tote. In den vergangenen drei Sommern litt die Bundesrepublik noch unter Hitze und Trockenheit. Wieso spielt das Wetter verrückt? Fünf Fragen.

Warum ist Tief „Bernd“ so beständig?

Einzelne Unwetter ließen sich zwar nicht auf den Klimawandel zurückzuführen, so der Meteorologe Özden Terli. Aber – sagt er, der auch im ZDF das Wetter erklärt – in einem seien sich Experten einig: „Weil sich der Planet erhitzt, gerät die Wettermaschinerie aus dem Takt.“ Es gehe dabei „um das große Ganze“. Bisher funktionierte das so: Am Äquator ist es warm, an den beiden Polen sehr kühl. Dieses Gefälle führt in der Atmosphäre zu Winden – nicht am Boden, sondern in etwa zehn Kilometer Höhe, Jetstream genannt.

Dieser Jetstream verschiebt Tiefs und Hoch von einer in die andere Region. „Nur“, sagt Terli, „mit der Erd­erhitzung hat sich die Arktis dreimal schneller erwärmt als der Rest des Planeten.“ Das Temperaturgefälle zwischen der Arktis und den mittleren Breiten nehme ab, der Jetstream verliere an Schwung. Die Folge: Tiefs wie „Bernd“ bleiben länger an einem Ort als in der Vergangenheit. Hochs auch. Ob sich ein Tief oder Hoch etabliert, ist übrigens Zufall.

Wieso ist die Wetterlage so zerstörerisch?

„Tief ‚Bernd‘ wäre nicht der Rede wert, läge es nur zwölf Stunden über Deutschland“, sagt der Wetter­experte. „Aber nun dreht es sich ganz langsam vor sich hin“ – und bringt dabei über längere Zeit feuchte, schwülwarme Luft aus dem Mittelmeerraum nach Deutschland. Dies sei „Treibstoff für Gewitter und Starkregen-Ereignisse“.

Dahinter stecke „simple Physik“: Die Luft kann umso mehr Feuchtigkeit aufnehmen, je wärmer sie ist – und zwar 7 Prozent mehr pro Grad Erwärmung. In der Feuchtigkeit stecke Wärmeenergie. Terli: „Wird diese bei der Wolkenbildung freigesetzt, kommt es zu heftigen Gewittern.“ Und da sich Wasser immer den Weg des geringsten Widerstands suche, könne aus einem kleinen Rinnsal ein reißender Fluss werden, wenn es so viel regnet wie derzeit.

Was kommt da noch an Extremen?

Mehr Wolkenbrüche, mehr Hochwasser mit Schäden an Gebäuden und Infrastruktur, Hitze, Dürren sowie Wälder, die Feuer fangen: Der Klimawandel muss aufgehalten werden. Gerade erst hat die EU-Kommission dazu einen Plan vorgelegt. Aber selbst wenn dieser nicht zerredet wird, lasse sich die Erderhitzung nicht mehr in Gänze vermeiden, sagt Terli.

In Deutschland macht der Deutsche Wetterdienst schon heute eine durchschnittliche Erwärmung von mindestens 1,6 Grad Celsius im Vergleich zur frühindustriellen Zeit aus. Terli meint, Sommer mit Sturzregen und Dürrejahre würden sich künftig abwechseln: „Die Klimakrise haut auf jedes Extrem­ereignis nochmal eins drauf.“

Wie muss sich Deutschland wappnen?

Das Umweltbundesamt hat erst vor Kurzem mit Experten zahlreicher Behörden und Ministerien eine Klimawirkungs- und Risikoanalyse zusammengestellt. Demnach sollen Flüsse mehr Platz bekommen, Bäume in Siedlungen mehr Schatten spenden. Seit Anfang Juni gibt es dafür auch eine zentrale Beratungsstelle, das bundesweite „Zentrum Klimaanpassung“. Aber vor allem sollen Städte und Dörfer, in denen derzeit große Flächen versiegelt sind, so umgebaut werden, dass sie sich in Zukunft wie ein Schwamm mit Wasser vollsaugen können.

Die Experten sprechen von der Sponge-City, der Schwammstadt. Das Wasser würde dann nicht einfach in Massen die Straßen runterrauschen, sondern leichter im Boden versickern – auf extra angelegten Sickerflächen und in Regenspeichern. Auch begrünte Dächer können helfen, damit das Wasser sich nicht seinen eigenen Weg bahnt. Gegen die Wassermassen von Tief „Bernd“ hätte das allerdings auch nicht geholfen, meint Terli – „abgemildert hätte es die Folgen aber schon.“

Was bringt Tief „Bernd“ in den nächsten ­Tagen?

Nach erneuten starken Gewittern und Regen verabschiede sich das Tief am Freitag endlich aus Deutschland, erwartet Terli.

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