HERMANN-JOSEF TENHAGEN HAUSHALTSGELD
: Kopfgeld auf Seeadler

In Alaska legt man leider auch Wert auf Geld. Das fängt bei Schiffstouren an – und hört bei Steuern nicht auf

Der Mensch lässt sich mit Geld steuern. Auch in Alaska. Wir jedenfalls wählten am Wochenende die preiswertere Schiffstour in Alaskas einstmals einzigem eisfreien Hafen Seward. 85 Dollar pro Nase für fünf Stunden schien uns zwar eine Menge Geld. Aber besser als 119 Dollar bei der Konkurrenz.

Im Nachhinein gesehen war die Tour ihr Geld wert. Ranger Ryan Ek vom dortigen Nationalpark händigte kostenlos Ferngläser aus – und das sollte sich lohnen. Ein halbes Dutzend Weißkopfseeadler in der ersten halben Stunde. Und drei weiße Bergziegen. Gut zu sehen nur mit ebenjenem Fernglas.

Dazu die Information, dass die Alaskaner eine ganz besondere Beziehung zum Weißkopfseeadler haben. Er bringt ihnen seit fast hundert Jahren gutes Geld. Zuerst haben sie ihn als Fischräuber bekämpft. Lange hat der Bundesstaat sogar ein Kopfgeld auf jeden getöteten Adler ausgesetzt. „Für 120.000 Weißkopfseeadler haben die Einheimischen von den Zwanzigern bis zu den Fünfzigern des vergangenen Jahrhunderts die Kopfprämien kassiert“, sagte Ek.

Dann haben Alaskas Bürger die Weißkopfseeadler nicht länger als Nahrungskonkurrenten, sondern als Touristenattraktion behandelt. Kleine Stoffseeadler gibt es in jedem Touristenshop. Und Ek freut sich, dass heute in Alaska mehr Adler nisten als im Rest der Vereinigten Staaten.

Das Schiff zog weiter an den Seelöwenfelsen, den Möwen und Papageientauchern vorbei – zu einem der Gletscher, die in Alaska noch direkt ins Meer kalben. Diese Gletscher sind die eigentlich große Touristenattraktion in Seward. Der eine – Last Exit Glacier – ist vor allem Attraktion, weil er sich inzwischen einige Meilen ins Hinterland zurückgezogen hat. Wanderer können an seiner Seite entlang ins Gebirge aufbrechen, den immer noch mächtigen Gletscher im Blick.

Später an Land versuchen die Park Ranger, den Blick der Touristen, die nun in ihren Geländewagen, den SUVs, sitzen, auf anderes zu richten: den Klimawandel. An der Straße, die sich zum Gletscher und Nationalpark schlängelt, steht alle paar hundert Meter ein Schild. Etwa: Bis hier reichte der Gletscher 1840. Man erreicht den Parkplatz, der SUV muss verlassen und das Bärenspray eingepackt werden, dann das Schild: bis hier 1917. Später das Schild: 1923. Und es ist noch weit bis zum Gletscher.

Warum das Ganze? Der Zusammenhang zwischen SUVs und Gletscherschwund wird hier nicht diskutiert. Auch nicht unter Einheimischen. Immerhin macht mir Hoffnung, dass ihnen die vier Dollar für eine Gallone (3,8 Liter) Benzin schon zu teuer sind. Meine Freundin Barbara nimmt sie mir wieder. „Das Öl hier in Alaska“, sagt sie, „sorgt doch für ein Drittel der Staatseinnahmen. Und statt Steuern zu zahlen, bekommen alle Bürger einmal im Jahr einen Scheck aus den Ölüberschüssen des Staates.“

Was will ich da erwarten.

Der Autor ist Chefredakteur von Finanztest Foto: Karsten Thielker