Kulturambulanz wieder genesen

Das Krankenhausmuseum im Klinikum Ost bleibt bestehen: Nach dem Abschied seines Leiters Achim Tischer hatte es Hinweise auf Abwicklungsbestrebungen gegeben

„Von Papenburg nach Neuruppin“ heißt der Zyklus, den das Krankenhausmuseum derzeit zeigt. Malerisch bearbeitet Hannah Bischof mit ihm Stationen des Leidenswegs ihrer Großmutter Maria Fenski, ein Opfer der NS-Medizinverbrechen. Die kritische Auseinandersetzung mit Euthanasie, der auch die Ärzteschaft des Klinikum-Ost-Vorläufers in den 1920ern den Weg bereitet hat, ist ein zentrales Anliegen des Krankenhausmuseums Foto: Krankenhausmuseum/Bischof

Von Jens Fischer

Der öffentliche Druck war groß, der Kampf kurz und fast erfolgreich. Die Kulturambulanz, also das Krankenhaus-Museum mit seiner Galerie und dem Veranstaltungszentrum Haus im Park, wird ihre 1987 gestartete Arbeit in Osterholz fortsetzen dürfen. Das ist das Ergebnis eines Treffens mit der Geschäftsführung des städtischen Krankenhausverbundes Gesundheit Nord (Geno).

Amtlich ist nun, dass die seit 2015 der Geno-Abteilung Unternehmenskommunikation zugeteilte Kulturambulanz ab August in die Verantwortlichkeit des Klinikums Bremen-Ost übergeht, wo sie als Projekt der Psychiatriereform auch gegründet worden war. „Die Rückführung bedeutet kürzere Dienstwege und eine verbindlichere Arbeitsstruktur“, hofft der ehemalige Leiter Achim Tischer. Finanziell bleibe die Geno in der Verantwortung, so deren Sprecherin Karen Matiszick. Bisher flossen jährlich eine halbe Million Euro, hinzu kamen jeweils etwa 100.000 Euro, die der Förderverein an Drittmitteln einwirbt.

„Der Eindruck, wir hätten die Kulturambulanz abwickeln wollen, ist komplett falsch“, beschwert sich Matiszick. Wie es zu diesem Eindruck kam? Das Geno-Klinik-Konglomerat ist ein Millionengrab für Steuergelder, weil es jedes Jahr wieder mit Rekordverlusten aufwartet, sodass immer neue Stellenstreichungen diskutiert und realisiert werden. Gerade mussten mal wieder 17,5 Millionen Euro von Bremen zugeschossen werden, damit die Geno zahlungsfähig bleibt.

Die Befürchtung, dass die Verrentung Achim Tischers Ende April 2021 der Auslöser hätte sein können für ein tödliches Sparkonzept kam also nicht aus dem luftleeren Raum. „Im Juni 2020 gab es eine eindeutige Zusage für die Nachbesetzung meiner Stelle. Die wurde am 1. April 2021 wieder zurückgenommen und auch der Verlängerung meiner Tätigkeit über den April hinaus eine Absage erteilt“, so der Ex-Chef.

Dabei sei der von ihm vorgeschlagene Nachfolger von der Geno wie auch dem Klinikum Bremen-Ost akzeptiert gewesen. Auch die über 20 Jahre alte Dauerausstellung zur Bremer Psychiatriegeschichte könnte ohne Leitung nicht wie geplant bis Frühjahr 2022 erneuert werden.

Fix wuchs Widerstand. Der Museumsverband erinnerte die Geno daran, dass dem Krankenhausmuseum das Museumsgütesiegel 2020 bis 2026 verliehen worden war und die nachhaltige Fortsetzung der ausgezeichneten Arbeit nur mit einer wissenschaftlichen Vollzeitstelle möglich sei. Bremens Gesundheitssenatorin Claudia Bernhard (Die Linke) intervenierte entsprechend. Der Landesbehindertenbeauftragte wies darauf hin, dass die Kulturambulanz ein unverzichtbarer Diskurs­ort für die Medizinverbrechen der Nationalsozialisten sowie der systematischen Rechtsverletzungen an Menschen in der Psychiatrie Nachkriegsdeutschlands sei.

„Nicht halbiert, neu ausgerichtet“

Karin Matiszick (Geno) erklärt, was es heißt, für die Leitung nur 0,5 Vollzeitäquivalent einzuplanen

Das dafür eingerichtete Museum habe jährlich bis 12.000 Besucher, so Tischer. Die Kultur- und Bildungsformate sowie Ausstellungen würden zudem den gesellschaftlichen Umgang mit Krankheit sowie ethische Kriterien für die Definition von Gesundheit und Normalität thematisieren. Tatsächlich gibt es nicht nur in Bremen nichts Vergleichbares: Anderen Krankenhausmuseen, wie in Nürnberg oder Bielefeld fehlt der kritische Blick auf die Medizin weitgehend. Auch der Beirat Osterholz fordert den unbedingten Erhalt: Das Haus im Park fungiert als soziokulturelles Zentrum im Stadtteil. All dem soll nun entsprochen werden.

Allerdings: Ausgeschrieben und noch in diesem Jahr besetzt wird laut Matiszick nur eine halbe Stelle als Ersatz. Bisher hatte die Kulturambulanz 6,4 Vollzeitäquivalente: Eine Dreiviertel-Stelle Veranstaltungsbegleitung und Tischers Job sind nicht besetzt. Kommissarisch am Start ist Stephan Uhlig, Manager der Konzerte, Theatervorstellungen und Tagungen im Haus am Park. Warum wird die Leitungsstelle halbiert? „Nicht halbiert, neu ausgerichtet“, behauptet Matiszick. Da werde nichts weggespart, sondern eine zweite halbe Stelle neu geschaffen für eine engere Anbindung an die Psychiatrie.

„Eine sehr gute Idee“, meint Tischer. „Nur darf das nicht zulasten der Museums-, Ausstellungs-, Kunst- und Erinnerungsarbeit der Kulturambulanz gehen. Die Geno macht aus zwei sinnvollen Stellen eine.“ Deswegen ist der Förderverein eingesprungen. Maximal ein Jahr lang sieht er sich in der Lage, die andere Hälfte zu finanzieren. Danach müssten Kultur- und Bildungsressort den Fehlbetrag ausgleichen. Das fordert auch der Beirat Osterholz.