Neue Einstufung für Finanzanlagen: EU findet AKWs klimafreundlich

Deutschland und vier weitere Staaten warnen davor, dass Investments in Atomkraft als grüne Finanzanlage gelten. Ungewiss ist, ob sie sich durchsetzen.

Grafik eines grünen Atomkraftwerks

„Grüne“ Energien dürfen keinen nennenswerten Schaden anrichten Foto: agefotostock/imago

BRÜSSEL taz | Bislang tobte der Kampf um die Atomkraft hinter den Kulissen. Welche Rolle AKWs beim „European Green Deal“ spielen sollen, beschäftigte vor allem EU-Experten in Brüssel. Doch nun sind Deutschland und die vier Staaten Dänemark, Luxemburg, Österreich und Spanien in die Offensive gegangen. Sie warnen davor, Atomkraft als eine „grüne“, klimafreundliche Technologie einzustufen.

Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) machte ein Schreiben öffentlich, in dem sie die EU-Kommission ungewöhnlich kräftig abwatscht. Anlass ist eine Vorlage zur sogenannten Taxonomie – der Richtlinie für grüne Finanzinvestments – an der die EU-Behörde mit Hochdruck arbeitet. Die Experten hätten ignoriert, wie gefährlich und umweltschädlich Atomkraft sei, so Schulze.

„Wir machen uns Sorgen, dass der Einschluss von Atomkraft in die Taxonomie deren Integrität und Glaubwürdigkeit beschädigt und daher auch deren Nützlichkeit“, heißt es in dem Brief, der der taz vorliegt. Bei den vorliegenden Expertengutachten fehle jeder Hinweis darauf, dass die Endlagerfrage ungelöst sei und der Atommüll noch Generationen belasten werde.

Damit werde aber das „Do no significant harm“-Prinzip verletzt – also die Forderung, dass „grüne“ Energien keinen nennenswerten Schaden anrichten dürfen. Atomkraft sei wesentlich gefährlicher als Windräder, heißt es in dem Schreiben. Mögliche Unfälle wie in Tschernobyl oder in Fukushima würden in dem aktuellen Entwurf für die „Taxonomie“ sträflich vernachlässigt.

Investoren könnten Vertrauen verlieren

Schulze beruft sich auch auf die Kapitalmärkte, die durch die Richtlinie verunsichert und fehlgeleitet würden. Sparer und Investoren würden ihr Vertrauen in „grüne“ Finanzprodukte verlieren, wenn sie fürchten müssten, dass ihr Geld auch im Bereich der Atomenergie angelegt werde. Damit würde das Ziel der nachhaltigen Investments verfehlt und auch finanzieller Schaden angerichtet.

Allerdings ist unklar, ob der Appell die beabsichtigte Wirkung erzielt. Die EU-Kommission schweigt, denn sie steht nicht nur unter dem Druck der Atomkraftgegner, sondern auch der Befürworter. Frankreich und mehrere osteuropäische Staaten setzen sich für die Kernkraft ein. Auch Erdgas wollen sie als Übergangstechnologie zulassen, um den Ausstieg aus Kohle und Öl zu erleichtern.

Bisher verfügt Deutschland nicht über genug Rückhalt in der EU, um die Vorlage aus Brüssel zu ändern. Dafür wäre eine Mehrheit der 27 EU-Staaten nötig – davon sind die 5 AKW-Gegner noch weit entfernt. Schulze versucht es nun mit öffentlichem Druck. Doch das letzte Wort haben die EU-Experten.

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