Neue Berliner Stiftung: Dem Markt entziehen

Die Stadtbodenstiftung will Raum schaffen für soziale Wohnprojekte und Urban-Gardening-Anlagen – und Verdrängung durch reiche Investoren unterbinden.

Verspannter Wohnungsmarkt in Berlin: Die Stadtbodenstiftung will das ändern Foto: dpa

BERLIN taz | Das gemeinwohlorientierte Netzwerk in Berlin hat einen neuen Knotenpunkt bekommen: die Stadtbodenstiftung. Sie will Grundstücke kaufen, dauerhaft der Spekulation entziehen und einer sozial orientierten Nutzung zuführen. Dabei sollen die Nachbarschaften intensiv in die Entwicklung von Bauprojekten einbezogen werden.

Die Quadratmeterpreise sind in Berlin seit der Finanzkrise explodiert: Im Durchschnitt sind Grundstücke heute um 870 Prozent höher bewertet als 2008, berichtet der Pressesprecher der neuen Bürgerstiftung, Holger Lauinger. Weil immer mehr reiche Leute ihr Geld in Land und Beton investieren, haben Zu- und Umziehende kaum eine Chance, eine bezahlbare Wohnung zu finden; auch Kleingewerbe und soziale Einrichtungen werden verdrängt. „Über 10.0000 Grundstücke aus öffentlichem Besitz wurden seit 1990 verkauft – das ist mehr als die Größe des Bezirks Friedrichshain-Kreuzberg“, bilanziert Lauinger. So haben sich die Preise für Neuvermietungen binnen zehn Jahren mehr als verdoppelt.

Diesem Trend will die neue Organisation entgegenwirken. Sie hat schon 160.000 Euro von 150 Stif­te­r*in­nen eingesammelt und verhandelt bereits mit einem Wohnhauseigentümer in Lichtenberg. Der möchte dafür sorgen, dass seine Mieter langfristig günstig wohnen können. Die gemeinnützige Stadtbodenstiftung übernimmt den Grund und verpachtet ihn nach dem Erbbaurechtsmodell für 99 Jahre. Auch mit Genossenschaften, selbstorganisierten Hausprojekten, Kitabetrieben oder Urban-Gardening-Initiativen will sie zusammenarbeiten.

Neben der Unverkäuflichkeit des Bodens gehören auch Mitbestimmung der Nutzenden und die Einbindung der Nach­ba­r*in­nen zu den Grundsätzen der Stiftung. „Unser Vorbild sind Community Land Trusts, die es inzwischen weltweit gibt“, erklärt Vorstandsfrau Sabine Horlitz. Der erste städtische CLT entstand in den 1980er Jahren in New York, dem heute die Grundstücke unter 2.300 Wohnungen gehören – davon viele in Neubauten. Auch in Großbritannien, Belgien und Frankreich sind CLT inzwischen verbreitet. Dagegen ist die Stadtbodenstiftung in Deutschland ein Novum. Horlitz und ihre Mit­strei­te­r*in­nen hoffen, bald so viel Geld eingesammelt zu haben, dass auch hier die ersten Neubauten entstehen können. Dabei rechnen sie damit, dass eine ganze Reihe privater Bodeneigentümer bereit sind, sich aus sozialen Gründen weit unter heutigen Marktpreisen von ihrem Grundstück zu trennen. Auch Schenkungen und Erbschaften nimmt die Stiftung gerne an.

Ein Hausprojekt als Ziel

Auf ein bezahlbares Grundstück hofft die Architektin Aslı Varol. „Für mich ist der demokratische Aspekt der Stiftung besonders relevant“, sagt die junge Frau, die beim Projekt Campus Cosmopolis mitmacht und im Kuratorium der Stadtbodenstiftung sitzt. Das organisiert monatliche Workshops mit Geflüchteten und anderen Be­woh­ne­r*in­nen Berlins unter der Fragestellung: Wie wollen wir gemeinsam zusammenleben – und das ganz praktisch. Da wird nicht nur über die Aufteilung von Räumen und Gemeinschaftsflächen diskutiert, sondern es geht auch um Regeln des Zusammenlebens und um Atmosphäre. Ziel ist ein gemeinsames Hausprojekt, in dem Menschen dauerhaft gut ­zusammenleben und wo niemand ausziehen muss, weil er oder sie die Miete nicht mehr zahlen kann.

Die Bodenstiftung kooperiert mit mehreren Organisationen, die Immobilen vergesellschaften nach dem Motto: Die Häuser denen, die darin leben und arbeiten. Dazu zählt das Mietshäusersyndikat, bei dem sich selbstverwaltete Hausgemeinschaften finanziell gegenseitig unterstützen. Auch die Trias- sowie die Edith Maryon-Stiftung fördern soziale Wohn- und Arbeitsstätten. „Sie haben uns beraten und wir konnten viel von ihren Erfahrungen lernen“, berichtet Horlitz über die zweijährige Phase bis zur Gründung in diesem Frühjahr. Das Neue an der Stadtbodenstiftung sei nicht nur die lokale Ausrichtung auf Berlin, sondern auch die Mitbestimmung von vielen. So haben im 13-köpfigen Kuratorium nicht nur die Stif­te­r*in­nen Sitz und Stimme, sondern auch die Nutzenden, Ex­per­t*in­nen und relativ Ver­tre­te­r*in­nen von Nachbarschaften. Das soll nicht nur der Gentrifizierung entgegenwirken, sondern neue Gemeinschaftlichkeit im Kiez fördern.

Auch öffentliche Körperschaften sind beteiligt. Das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg hat bereits 100.000 Euro locker gemacht und dafür lauthalts Kritik von der FDP geerntet. Sibylle Meister, Landtagsabgeordnete und Vertreterin ihrer Fraktion im Haushaltausschuss warnte vor einem „Steuergeldverschwendungssumpf für Klientelprojekte.“ Etwas aus sozialen Gründen dem Markt zu entziehen entspricht nicht den Vorstellungen der Gutverdiener-Partei.

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