Bundesparteitag der Linkspartei: Hoffnung auf Trendwende

Die Linkspartei sucht nach einem Ausweg aus ihrer Krise. In ihrer Rede appelliert die Vorsitzende Susanne Hennig-Wellsow, sich zusammenzuraufen.

Susanne Hennig-Wellsow bei ihrer Rede auf dem Parteitag

Susanne Hennig-Wellsow zeigte sich nachdenklich in ihrer Rede zum Auftakt des Linkenparteitags Foto: Christoph Soeder/reuters

BERLIN taz | Mit nachdenklichen Worten ist die Linkspartei am Samstag in ihren zweitägigen Bundesparteitag gestartet. „Ich bitte euch wahrzunehmen, was gesellschaftlich passiert“, appellierte die Vorsitzende Susanne Hennig-Wellsow in ihrer Auftaktrede. Es bringe den Menschen keinerlei Verbesserungen, „wenn wir uns streiten, wenn wir uns auseinanderdividieren“.

Unter schwierigen Bedingungen diskutiert die Linkspartei an diesem Wochenende ihr Bundestagswahlprogramm. In selbstzerfleischende innerparteiliche Streitereien verstrickt, hat sie sich mittlerweile in den Umfragen bedenklich der 5-Prozent-Hürde angenähert. Es gäbe viele, die sich fragten, wozu es die Linke eigentlich überhaupt noch brauche, konstatierte Hennig-Wellsow. Die Partei müsse endlich wieder zusammenfinden: „Wir sind jetzt in seiner Situation, wo es auf uns ankommt“, sagte sie. „Wir müssen diejenigen sein, die dafür sorgen, dass ein neues soziales Fundament Geborgenheit in dieser Welt schafft.“

Bei ihrem zweitägigen Online-Treffen wollen die knapp 580 Delegierten das Wahlprogramm der Linkspartei beschließen. Der Entwurf des Vorstandes trägt den Titel „Zeit zu handeln. Für soziale Sicherheit, Frieden und Klimagerechtigkeit“. Darin fordert die Linkspartei unter anderem einen Mindestlohn von 13 Euro, eine Solidarische Mindestrente von 1.200 Euro, ein garantiertes Mindesteinkommen in gleicher Höhe sowie die Wiedererhebung einer Vermögenssteuer.

Intensivere Diskussionen stehen beim Punkt „Klimagerechtigkeit und Energiewende“ an, in dem das Ziel eines klimaneutralen Deutschland bis 2035 formuliert wird. Wie das erreicht werden kann, darüber gibt es höchst unterschiedliche Vorstellungen. Strittig ist beispielsweise eine von der Linksjugend geforderte CO2-Bepreisung.

Insgesamt wurden 1.047 Änderungsanträge zum Wahlprogramm eingereicht. In der Mehrzahl der Fälle gab es allerdings schon im Vorfeld Verständigungen. Über gut 90 Änderungsanträge werden die Delegierten noch zu beraten und abzustimmen haben.

Hennig-Wellsow, Ende Februar gemeinsam mit Janine Wissler an die Linkenspitze gewählt, forderte von ihrer Partei mit Leidenschaft für die gemeinsamen Ziele einzutreten und „bei den Menschen zu sein“. Diesen sei „nicht mit Floskeln geholfen“. Entsprechend warb sie für einen Regierungswechsel nach der Bundestagswahl. Wenn die Union wieder in die Regierung komme, bedeute dies weiteren Sozialabbau.

Aufruf zu „unteilbarer Solidarität“

Die Generaldebatte am Samstag war geprägt von Aufrufen, sich auf konstruktive Formen der Auseinandersetzung zu besinnen. „Eine pluralistische Partei muss ihren Pluralismus auch akzeptieren und mit ihm umgehen“, sagte Simone Oldenburg, Spitzenkandidatin der Linkspartei für die parallel zur Bundestagswahl stattfindende Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern. „Unsere Politik darf kein Sprungbrett zur Erfüllung persönlicher Eitelkeiten sein, sie muss das Sprungbrett in ein besseres, ein schöneres und ein menschliches Leben für die Kleinen, die Großen, für die Alten und die Jungen sein“, formulierte sie nicht ohne Pathos.

„Absurde Debatten, das Soziale gegen das Emanzipatorische zu stellen, finde ich komplett absurd“, sagte Klaus Lederer, Spitzenkandidat für die Berliner Abgeordnetenhauswahl. „Wir müssen das Ganze verbinden statt Spaltung zu erzeugen.“ Nur wenn es gelinge, „glaubhaft Veränderungslust und Gestaltungsanspruch zu vermitteln“, bestünde die Chance, nach dem 26. September das Land „wirklich gemeinsam gerechter zu machen“.

In die gleiche Richtung zielte auch der Redebeitrag der Berliner Landesvorsitzenden Katina Schubert. „Unterdrückung vollzieht sich auf vielen gesellschaftlichen Ebenen“, sagte sie. Neben dem Antagonismus von Arbeit und Kapital benannte sie Rassismus und Patriarchat als Unterdrückungsverhältnisse. „Wenn wir das alles aufgreifen, aufbrechen und bekämpfen wollen, dann können wir das nur mit unteilbarer Solidarität“, so Schubert. „Lasst uns aufhören, dass gegeneinander zu diskutieren.“

Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow brachte es auf den kurzen Nenner: „Es kommt auf uns an, dass wir die Herzen der Menschen gewinnen.“ Ob das auch von allen in der Partei begriffen wird, werden auch die bis zum späten Sonntagnachmittag angesetzten Debatten um das Wahlprogramm zeigen.

Aber immerhin gab selbst Oskar Lafontaine eine versöhnliche Wortmeldung ab – wenn auch nicht auf dem Parteitag, sondern nur per Zeitungsinterview. „Wir müssen alle Anstrengungen unternehmen, um wieder in den Bundestag zu kommen“, sagte der frühere Linksparteivorsitzende den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland. „Darin herrscht große Übereinstimmung“, so Lafontaine. Denn die Linkspartei sei schließlich „die einzige Kraft, die gegen Kriegseinsätze und Sozialabbau stimmt“.

Wie Hennig-Wellsow in ihrer Rede mitteilte, hatte sie sich am Freitag mit Lafontaine getroffen. Aus der „tiefen Überzeugung, dass wir miteinander reden müssen“.

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