Wechsel vom ÖR zum Privatfernsehen: Störungen beim Vereinigungserlebnis

Viele Jour­na­lis­t:in­nen wechseln von den öffentlich-rechtlichen Sendern ins Privatfernsehen. Das ist nichts Neues: Auch Joko und Klaas waren beim ZDF.

Die Moderatorin Linda Zervakis und der Moderator Matthias Opdenhövel stehen in dem Studio, in dem sie das neue ProSieben-Journal «Zervakis & Opdenhövel. Live» ab Herbst 2021 moderieren. Sie halten Karten in der Hand und stehen vor einer Werbewand.

Ab Herbst moderieren Linda Zervakis und Matthias Opdenhövel ihre Sendung „Zervakis & Opdenhövel“ Foto: Felix Hörhager/dpa

So, jetzt beruhigen sich alle mal wieder. Nein, die ARD blutet nicht aus. Ja, es sind in letzter Zeit ein paar prominente Köpfe aus Info, Sport- und Nachrichten Richtung Privatfernsehen abgewandert. In chronologischer Reihenfolge waren das bislang Jan Hofer (zu RTL), Matthias Opdenhövel, Linda Zervakis (beide zu ProSiebenSat.1) und Pinar Atalay (zu RTL).

Die Liste ließe sich übrigens fortsetzen. Thilo Mischke, der heute bei ProSieben Dokus über Deutschland ganz rechtsaußen zur Primetime macht, kommt schließlich von funk. Und waren Joko und Klaas nicht ganz ursprünglich mal beim ZDF? Neu ist die Entwicklung allerdings überhaupt nicht. Für weitere Fragen wenden Sie sich bitte an unseren Herrn Hallaschka. Der nahm schon vor zehn Jahren bei der ARD seinen Hut und zog aus dem „Kanzlerbungalow“ und der „NDR Talk-Show“ zu RTL.

Allen gemeinsam dürfte sein, dass ihnen im öffentlich-rechtlichen die Entwicklungs- und Aufstiegsmöglichkeiten gefehlt haben. Jedenfalls solche, mit denen sie fein gewesen wären. „Was soll denn da noch kommen?“, meint die Mitbewohnerin: „Die schwimmen doch schon ganz oben und haben Spitzengehälter.“ Dass die Privatsender noch mehr auf den Tisch legen, versteht sich von selbst.

Für Personalentwicklung sind im verkrusteten öffentlich-rechtlichen System zwar haufenweise Abteilungen und Leitungsstellen verantwortlich. Sie sind auf dem Papier auch schwer beschäftigt. Was wirklich stattfindet, ist aber zu wenig, bleibt zu selektiv und ist oft das Gegenteil von innovativ.

Das gilt längst nicht erst auf der Flughöhe der aktuellen ARD-Auswandernden. Dass alle erst mal bei der Konkurrenz anklopfen müssen, damit der eigenen Laden merkt, was er an ihnen hat, gehört dabei in allen Branchen zu den Erlebnisstörungen. Das Vereinigungserlebnis des von RTL heimgekehrten Günther Jauch mit der ARD ging allerdings schief. Den Oberjournalisten wollten ihm alle nicht so recht abnehmen.

Funk ist andererseits Beleg dafür, dass es auch innovativ und offen laufen kann. Etablierte Läden ändern sich eben erst, wenn es wehtut. Daher hat die Abwanderung auch ihr Gutes. Die Privaten müssen plötzlich Relevanz beweisen. Denn Filme und Serien abnudeln können die Streamingdienste einfach besser. Trash haut auch nicht mehr so hin, weshalb die Pochers (Sat.1) und Bohlens (RTL) gehen müssen.

Bei der ARD werden plötzlich Stellen frei. Und, viel wichtiger, vorsichtiges Umdenken setzt ein. Beim ZDF hat diese Woche übrigens auch Claus Kleber seinen Abschied als Moderator des „heute-journals“ angekündigt. Aber der wandert nicht zu den Privaten, sondern geht in Rente.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

2000-2012 Medienredakteur der taz, dann Redakteur bei "ZAPP" (NDR), Leiter des Grimme-Preises, 2016/17 Sprecher der ARD-Vorsitzenden Karola Wille, ab 2018 freier Autor, u.a. beim MDR Medienportal MEDIEN360G. Seit Juni 2023 Leitung des KNA-Mediendienst. Schreibt jede Woche die Medienkolumne "Flimmern und rauschen"

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.