Niedersachsen-AfD versucht es wieder: Parteitag zum Zweiten, zum Dritten

Die AfD-Niedersachsen will erneut ihre Bun­des­tags­kan­di­da­t:in­nen bestimmen. Breiter Protest ist angekündigt, Corona erhöht den Druck.

Demonstrantin mit Mittelfinger Schildern

Ihre Ruhe hatte die AfD in Braunschweig schon beim letzten Mal nicht Foto: Moritz Frankenberg/dpa

HAMBURG taz | Der Termin steht, der Ort auch. Am Wochenende richtet die AfD-Niedersachsen in Braunschweig ein Landesmitgliedertreffen aus. Auf dem Parteitag will der Landesverband um den Landesvorsitzenden Jens Kestner erneut seine Kan­di­da­t:in­nen zur Bundestagswahl im September dieses Jahres bestimmen. Die Neuwahl ist nötig, da bei der ersten Wahl der Bun­des­tags­kan­di­da­t:in­nen nicht alle Landesparteimitglieder eingeladen waren.

Bereits im Dezember vergangenen Jahres war der Landesverband in Braunschweig zu einer Landesmitgliederversammlung zusammengekommen. Im „Millenium Event Center“ (MEC) bestimmten sie den vermeintlich moderaten AfD-Politiker Joachim Wundrak zum Spitzenkandidaten, gefolgt von zwei weiteren nicht so radikalen Kandidaten. Sie alle stehen dem AfD-Bundesvorsitzenden Jörg Meuthen näher als dem AfD-Landtagsfraktionschef in Thüringen, Björn Höcke.

Eine krachende Niederlage für den erst im September in der Millenium-Halle zum Landesvorsitzenden bestimmten Kestner, der bereits für die AfD im Bundestag ist. Er selbst steht dem „Flügel“ um Höcke nah, der sich auf Wunsch des Bundesvorstandes offiziell auflöste, nachdem das Bundesamt für Verfassungsschutz das innerparteiliche Netzwerk als verfassungsfeindlich einstufte. Die AfD hofft, dadurch eine Beobachtung der gesamten Partei durch die Verfassungsschutzämter und -behörden zu verhindern.

In Niedersachsen beobachtet seit März 2020 das Landesamt für Verfassungsschutz den aufgelösten „Flügel“. Rund 20 Prozent der Landesmitglieder seien der internen Parteistruktur zuzurechnen, erklärte Landesinnenminister Boris Pistorius (SPD) bei der Bekanntgabe der Beobachtung. Neben Kestner soll auch der AfD-Landtagsabgeordnete Stephan Bothe aus Lüneburg mit dem Netzwerk sympathisieren.

Er steht im Verdacht, sich bei einem Treffen am 20. Februar in Verden im Beisein des Bundestagsabgeordneten Armin-Paul Hampel über eine klandestine Parallelstruktur – im Prinzip eine Reaktivierung des „Flügels“ – ausgetauscht zu haben. Ein Parteiausschlussverfahren gegen ihn läuft.

Lager prallen aufeinander

Dem Verfahren sehe er gelassen entgegen, sagte Bothe, der auch stellvertretender Landeschef ist, der Neuen Osnabrücker Zeitung. Die Nähe zum „Flügel“ führte schon im Juni zu einem Ausschlussverfahren gegen die Landesvorsitzende der gerade neu gegründeten AfD-Jugendorganisation „Junge Alternative“, Rebecca Seidler.

Die Neugründung war nötig, weil der Bundesverband der „Jungen Alternative“ 2018 den Landesverband auflöste – er stehe zu weit rechts. Seidler wird am Wochenende nicht um eine Bundestagskandidatur ringen – wenn sie sich an ihre eigene Aussage hält.

In der Millenium-Halle dürfte sich der Konflikt zwischen den Lagern weiter zuspitzen. Die Netzwerke der möglichen Kan­di­da­t:in­nen mobilisieren stark. Schon beim ersten Versuch im Mai, die Wahl zur Bundestagskandidatur zu wiederholen, war der Andrang zu groß. Die Landesmitgliederversammlung musste abgebrochen werden, da die Corona-Auflagen nicht eingehalten werden konnten. Im Saal und vor der Tür des Centers waren zu viele Mitglieder zusammengekommen.

Die Plätze sind knapp

Am Wochenende dürften nach aktuellen Auflagen knapp 1.000 Personen in die Halle. Das erhöht den Druck. Eine frühe Anreise scheint geboten, um einen Platz zu bekommen. Die Anreise dürfte allerdings durch Proteste erschwert werden. Schon um 7.30 Uhr beginnt am Madamenweg vor der Halle der Gegenprotest. Das „Bündnis gegen Rechts Braunschweig“ ruft auf: „Rechte Hetze stoppen – kein AfD-Parteitag in Braunschweig“.

In den vergangenen Monaten tagte die AfD dreimal im „Millenium Event Center“. Die Halle mit 5.000 Quadratmetern Nutzfläche wird von einer GmbH betrieben. Der Geschäftsführer müsse sich fragen lassen, „ob ihm die Kohle der Rechtsextremisten tatsächlich wichtiger ist als ein Beitrag für eine demokratische und solidarische Gesellschaft“, sagte unlängst Sebastian Wertmüller, Geschäftsführer des Ver.di-Bezirks Region-Süd-Ost-Niedersachsen.

Der Außenbereich des Millenium-Centers ist kaum einsehbar, die direkte Zufahrt ist nur über zwei Straßen möglich. Durch die Kundgebung ist ein Weg bereits versperrt. Der zweite Zugang könnte zu Blockade-Versuchen verleiten.

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