Die Rückkehr des verirrten Magiers

Mit „Catweazle“ gelingt Regisseur Sven Unterwaldt die Wiederbelebung einer Fernsehserie aus den 1970ern – obwohl er die Hauptrolle mit Otto Waalkes besetzt statt mit einem Schauspieler

Merlin wäre neidisch: Catweazle (Otto Waalkes) und Kühlwalda, seine Vertraute (Bufo bufo), genießen ein Schaumbad Foto: Tobis Filmverleih

Von Wilfried Hippen

Etwas aus der Vergangenheit in die Gegenwart zu versetzen, kann einen zauberhaft komischen Plot abgeben und ist zugleich die Grundidee jeden Remakes: Die Reprise von „Catweazle“ mit Otto Waalkes in der Titelrolle potenziert diesen Zeittransfer gleichsam. Denn die britische TV-Serie „Catweazle“ aus den frühen 1970er-Jahren ging von der Überlegung aus, dass für die Zauberer der mythologischen Vergangenheit unsere Welt voller Magie wäre, die viel mächtiger ist als die ihre. Die Menschen können fliegen, einander über weite Entfernungen hören und sehen, Licht und Wärme kommt aus unsichtbaren Quellen. In diese irre Wirklichkeit findet sich der bestenfalls mitteltalentierte Magier Catweazle durch einen seiner Zaubersprüche zu seiner eigenen Überraschung transferiert.

Für ihn sind Glühbirnen „Sonnen in Flaschen“, Telefone „Zauberknochen“ (der Wortwitz von „Talkingbones“ ließ sich nicht übersetzen) und die Kraft, die scheinbar alles in Bewegung setzen kann, ist der „Elektrik-Trick“. Der Zauberer verehrt den kleinen netten Jungen, der ihn auf seinem Bauernhof aufnimmt und versteckt, als einen viel mächtigeren Magier. Komisch war die Serie immer dann, wenn Catweazle sich vor den für uns alltäglichen Dingen erschrak und dabei zappelte und Grimassen schnitt.

Sein Erfinder Richard Carpenter hatte ihn als eine Parodie auf Merlin aus der Artussage konzipiert. Den komischen Namen hatte er auf dem Tor einer Hofeinfahrt gelesen und für die Gestaltung seines zauseligen Titelhelden wurde er durch das Gemälde „Die Dornenkrönung Christi“ von Hieronymus Bosch inspiriert, das in London in der National Gallery hängt. Catweazle wurde von dem britischen Schauspieler Geoffrey Bayldon verkörpert. Er wurde so stark mit dieser Rolle identifiziert, dass er danach kaum noch Rollenangebote bekam.

In Deutschland wurde „Catweazle“ 1974 im Nachmittagsprogramm des ZDF ausgestrahlt. Die Serie war dann so beliebt, dass sie Teil des kollektiven Bewusstseins der Generation damaliger Kinder wurde. Den Zauberspruch des Magiers „Salmei, Dalmei, Adomei“ dürften viele der heute über 60-Jährigen immer noch erkennen.

Das Herumzappeln und Grimassenschneiden sind auch Kernkompetenzen von Otto Waalkes, und so ist dies offensichtlich eine ideale Rolle für ihn. Sein Leibregisseur Sven Unterwaldt, mit dem zusammen Otto schon die beiden „7 Zwerge“-Filme, „Otto’s Eleven“ und „Hilfe, ich haben meine Lehrerin geschrumpft“ drehte, bemerkte als Erster, dass Otto viel Ähnlichkeit mit Geoffrey Bayldon hat.

Es war auch nicht viel Arbeit von den Gewerken Maske und Kostüm nötig, um aus dem ostfriesischen Komiker einen komischen Zauberer aus dem Mittelalter zu machen. Aber Otto bleibt immer Otto: Er ist kein Schauspieler, sondern ein Selbstdarsteller, und so wird er hier nie so eins mit der Rolle, wie dies Bayldon gelang. Andererseits wären die vielen Otto-Fans sicher enttäuscht, wenn Otto sich in der Rolle verloren hätte. Immerhin hat der inzwischen 72-Jährige sich seinen Schlachtruf „Holladihiti“ verkniffen, aber ein paar Liedchen musste er einfach singen, auch wenn dies kaum zum Charakter des in der Zukunft gestrandeten Zottelgreises passt. Bayldon spielte ihn todernst und war deshalb komisch – Otto zwinkert dagegen ständig dem Publikum zu.

Dennoch funktioniert „Catweazle“ erstaunlich gut. Das liegt daran, dass dies ein Kinderfilm ist. Anders als die „7 Zwerge“-Filme, die mit ihren ständigen ironischen Brechungen eher für ein erwachsenes Zielpublikum gemacht zu sein schienen, setzten Unterwaldt und Waalkes hier nicht auf die Zu­schaue­r*in­nen der damaligen TV-Serie. Und dies, obwohl die 60- bis 70-Jährigen inzwischen öfter in die Kinos gehen als die Kinder.

In diesem Sinne ist die Adaption werkgetreu, denn auch wenn vieles verändert wurde, ist der Held der Geschichte auch hier wieder ein zwölfjähriger Junge, der Catweazle und den meisten Erwachsenen überlegen ist. Neben dieser Identifikationsfigur für die Jungs hilft Catweazle auch ein gleichaltriges Mädchen, das noch pfiffiger ist.

Neben dem die Serie bestimmenden Erzählstrang vom „Fisch aus dem Wasser“ wird hier auch, in den genau 90 Minuten des klassischen Spielfilms, mit der Dramaturgie des „Wettlaufs gegen die Zeit“ gearbeitet. Catweazle landet nachts in einem Wald und verliert seinen Zauberstab Anawandur. Ohne ihn kann er nicht mehr zurück in seine Epoche reisen, doch dort muss er in drei Tagen ein großes Unheil verhindern, dem seine Tiere, sein Haus und das schöne Schloss des Königs zum Opfer fallen würden.

In den 1970ern spielte der Brite Geoffrey Bayldon den zeitgereisten Magier

todernst und war genau deshalb komisch. Der Berufsostfriese Otto Waalkes dagegen

zwinkert unablässig seinem Publikum zu

Aber die Kunsthändlerin Dr. Katharina Metzler – der Name sagt alles – erkennt den großen Wert des 1.000 Jahre alten Artefakts. Zusammen mit seinen jungen Helfer*in­nen muss Catweazle viel tricksen, um schließlich wieder in seine Zeit zurückzugelangen. Dass er dabei eine Taschenlampe mitnimmt, sorgt für ein magisches Finale und eine schöne Schlusspointe. Die dürfte aufs Konto von Bernd Eilert gehen. Der Satiriker, Mitglied der „Neuen Frankfurter Schule“ und Mitgründer der Zeitschrift Titanic, hat seit „Otto – Der Film“ im Jahr 1985 an allen Filmen von Otto Waalkes mitgearbeitet. Und auch hier hat er zusammen mit Otto, Unterwaldt und Claudius Pläging das Drehbuch geschrieben. Ihnen ist dabei zumindest ein eigener Witz eingefallen, denn bei ihnen hat der Zauberer, dessen Magie meist nach hinten losgeht, noch einen zweiten Zauberspruch: „Nichts gelingt.“

Bei der Besetzung haben die Produzenten ganz auf das im deutschen Kino Bewährte gesetzt. Den zwölfjährigen Benny spielt Julius Weckauf, der 2018 in der Hauptrolle der Hape-Kerkeling-Biografie „Der Junge braucht frische Luft“ überzeugte.

Seinen etwas tumben, aber wohlmeinenden Vater verkörpert Henning Baum, der Lokomotivführer aus den beiden „Jim Knopf“-Spielfilmen. Und die fiese Kunsthändlerin, die Catweazle mythologisch zutreffend, aber politisch unkorrekt als Hexe tituliert, gibt Katja Riemann mit herrischem Ton und funkelnder Boshaftigkeit.

Ein Märchen wird hier übrigens auch auf einer anderen Ebene erzählt: „Catweazle“ wurde nicht nur unter vielen Schwierigkeiten im vergangenen Jahr gedreht – er spielt auch 2020. Corona gibt es in diesem Paralleluniversum aber trotzdem nicht. Auch das ist die Magie des Kinos.