Im Saarland fechten Grüne die eigene Liste an

Juristisches Tauziehen um Spitzenkandidat Hubert Ulrich: KritikerInnen beantragen einstweilige Anordnung gegen die Kandidatenliste

Bis zum 19. Juli muss die Partei eine rechtlich einwandfreie Liste einreichen

Von Christoph Schmidt-Lunau

Der Vorstand der Saar-Grünen zeigt im Streit um den Spitzenkandidaten Hubert Ulrich Wirkung. Für den 17. Juli hat er vorsorglich eine Halle für die mögliche Wiederholung der Listenaufstellung zur Bundestagswahl angemietet. Damit geht die erbitterte Auseinandersetzung in eine neue Runde.

Nach Einschätzung des Landesvorstands sei zwar bei der Listenaufstellung am 20. Juni nicht gegen das Frauenstatut und damit auch nicht gegen die Satzung verstoßen worden, heißt es in einer Erklärung; allerdings räumt auch der Vorstand ein, dass es wegen der Teilnahme von eigentlich nicht stimmberechtigten VertreterInnen der Grünen Jugend und der Grünen Senioren Zweifel an der Wahl geben könnte. Sie erwarte jetzt eine schnelle gerichtliche Entscheidung, sagte die Landesvorsitzende Barbara Meyer-Gluche.

Aber: Die Uhr tickt. Bis zum 19. Juli muss die Landespartei bei der Landeswahlleiterin eine rechtlich einwandfreie KandidatInnenliste einreichen. Sonst erscheint die Partei im Saarland nicht auf den Stimmzetteln – ein Super-GAU für die Partei und die grüne Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock. Am Montag war beim Landeschiedsgericht eine Wahlanfechtung eingegangen.

VertreterInnen von zwei Kreis- und zehn Ortsverbänden der Partei hatten beantragt, die auf dem Landesparteitag am 20. Juni aufgestellte, vom ehemaligen Landesvorsitzenden Ulrich angeführte Liste zu annullieren. Bei der Wahl sei es „zu mehreren erheblichen Verstößen gegen Satzungs- und Wahlrecht“ gekommen, heißt es zur Begründung. Die KritikerInnen beantragen zudem eine einstweilige Anordnung. Es soll dem amtierenden Landesvorstand untersagt werden, die angefochtene Liste bei der Landeswahlleiterin einzureichen. „Hilfsweise“ regen die Antragsteller an, den auf Platz 1 gewählten Ulrich zu streichen und nur die restlichen Kandidatenvorschläge einzureichen.

Einmal mehr im Fokus der Kritik: der ehemalige Partei- und Landtagsfraktionsvorsitzende Ulrich. Seine GegnerInnen werfen dem 63-Jährigen vor, in einem „rücksichtslosen Egotrip“ seine Wahl zum Spitzenkandidaten durchgesetzt und damit eklatant gegen das Frauenstatut der Partei verstoßen zu haben. Platz 1 einer grünen KandidatInnenliste ist danach grundsätzlich für eine Frau reserviert. Nur wenn sich keine Kandidatin findet, kann der Platz für Männer geöffnet werden.

Beim entscheidenden Parteitag in Saarbrücken hatten die Delegierten in drei Wahlgängen die amtierende Landesvorsitzende Tina Schöpfer durchfallen lassen. Danach wurde die Wahl per Abstimmung für Männer geöffnet. Mit der Sprecherin der Grünen Jugend, Jeanne Dillschneider, stand auch eine Alternative zur Wahl, doch die Delegierten wählten Ulrich. Damit sei gegen die Satzung verstoßen worden, argumentiert die Streitschrift. Auch die Bundespartei hatte das Verfahren kritisiert. Kanzlerkandidatin Baer­bock ließ wissen, sie habe sich „das anders gewünscht“.

In dem jetzt eingereichten Dokument finden sich weitere, offenbar schwerwiegende Anfechtungsgründe: Vertreter der Grünen Jugend und der Grünen Senioren hätten Stimmzettel erhalten, obwohl sie gar nicht stimmberechtigt gewesen seien. Auch der Landesvorstand sieht da inzwischen offenbar ein Risiko. Außerdem argumentieren die KritikerInnen, andere Delegierte seien rechtswidrig nicht zugelassen worden. Bei der Wahl Ulrichs habe es zudem Verstöße gegen die Grundsätze einer freien und geheimen Wahl gegeben. So habe ein Ersatz­delegierter „gehört und auf Video festgehalten, dass der Kandidat Hubert Ulrich Delegierte während des laufenden Wahlgangs beeinflusst hat, indem er Anweisungen gegeben hat, welche Person in welcher Art und Weise zu wählen ist“. Dabei habe Ulrich „auch Einblick in Stimmzettel genommen“.

Besonders kurios war denn auch die Wahl für Platz 2 ausgefallen. Mit knapper Mehrheit wurde die von Ulrich unterstützte Saarbrücker Kommunalpolitikerin Irina Gaydukova gewählt, die in ihrer Kandidatenbefragung auf mehrere inhaltliche Fragen keine Antwort wusste. Der zweiminütige Videospot aus ihrer peinlichen Vorstellung, der im Internet die Runde machte, löste einen Shitstorm aus. Gaydukova gab schließlich den aussichtsreichen Listenplatz auf und trat sogar aus der Partei aus.

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