Visionen vom Stillstand: VW Käfer aus Vinyl

Künstler waren vom Anfang an vom Auto fasziniert. Die Ästhetik fasziniert ebenso wie die skulpturale Möglichkeit der Verschrottung.

Aus dem Boden ragen Karosserien auf, die mit Grafitti besprüht sind

Die Cadillac Ranch von Ant Farm in Texas Foto: Imago Stock

Man muss sich nicht so blöd wie Greenpeace aufführen und als Angeber in Macho-Krieger-Manier ins Fußballstadion einfliegen, um gegen VW Stellung zu beziehen. Um auf die verwerfliche Produktionspolitik der Wolfsburger aufmerksam zu machen, eignet sich der weiche VW-Käfer in Originalgröße aus Vinylstoff der mexikanischen Künstlerin Margarita Cabrera viel besser. Der weiche Käfer in der Nachfolge von Claes Oldenburgs Soft Sculptures wurde von Arbeiterinnen in den sogenannten Maquiladoras gefertigt.

Diese Fabriken multinationaler Unternehmen mit Hauptsitz in den USA können dank besonderer Übereinkünfte zwischen den Regierungen ihrer Länder besonders günstig in Mexiko produzieren und in die nahen USA distribuieren. Hier profitierte und profitiert VW nur von Ausbeutung, anderswo allerdings knüpft man inzwischen schon wieder an Traditionen aus den 1940er Jahren an.

Ansonsten waren die Künstler – genauso wie der Rest der Menschheit – von Anfang an vom Auto fasziniert. „Ein Rennwagen, dessen Karosserie große Rohre schmücken, die Schlangen mit explosivem Atem gleichen“, schien ihnen „schöner als die Nike von Samothrake“. So jedenfalls sah es Filippo Tommaso Marinetti im Manifest des Futurismus, das er am 20. Februar 1909 im Pariser Le Figaro veröffentlichte. Aber wie halt Künstler so sind, mit dem Auto machen sie dann Dinge, die sie mit der Nike nie machen würden, höchstens mit der Mona Lisa – wie ihr ein kleines Schnurrbärtchen geben für zukünftige Gender-, Trans- und Queerdebatten.

Das Logo zeigt ein Fahrrad

Die Bundestagswahl ist eine Klimawahl. Ab dem 28. Juni stellen wir deswegen eine Woche unsere Berichterstattung unter den Fokus Mobilitätswende: Straßenkampf – Warum es eine Frage der Gerechtigkeit ist, wie wir mobil sind. Alle Texte: taz.de/klima

Der US-amerikanische Künstler John Chamberlain (1927–2011) jedenfalls würdigte die skulpturalen Qualitäten des Automobils, indem er die Autos in die Schrottpresse steckte, um sie dann zu freistehenden Plastiken aufzutürmen. In Berlin lässt sich sein 11 Meter hoher, über zwei Etagen aufragender „Turm von Klythie“ im Foyer des Quartier 205 bewundern. Laut Info-Kubus reflektiert der Turm auf „abstrakte expressionistische und pop­artige Weise die Produktionszusammenhänge der industriellen Realität: Erfindung, Herstellung und Zerstörung, Konstruktion und Destruktion“.

Zehn Cadillacs nahe der Route 66

Genau deswegen befinden wir uns im Wahljahr 2021 auch im Straßenkampf. Generell scheinen die Künstler das Auto gerne still zu stellen. Die Gruppe visionärer Architekten zum Beispiel, die zwischen 1968 und 1978 als Ant Farm mit Videokunst, Performances und Installationen in Erscheinung traten (1977 auf der documenta 6), pflanzte 1974 zehn Cadillacs mit der Schnauze vorneweg in ein Feld nahe der Route 66 westlich von Amarillo.

Nur die hintere Hälfte mit den berühmten Heckflossen, die zu diesem Zeitpunkt abgeschafft wurden, ragte aus der Erde. Gesponsert wurde die Sache vom Helium-Millionär und Mäzen Stanley Marsh III., der interessanterweise befand, dass ausgerechnet diese feststeckenden Autos „die große Flucht, die Freiheit der Wahl, die Möglichkeit, einfach abzuhauen“, symbolisierten.

Dass es damit nicht wo weit her ist, befand 1987 Wolf Vostell und stellte in Berlin „2 Beton Cadillacs in Form der nackten Maja“ 1987 auf, um auf das Ende der Autokultur hinzuweisen. Da daran damals niemand glauben wollte, jeder aber befürchtete, dass Vostell in the long run recht haben würde, formierte sich heftiger Bürgerprotest gegen Vostells „24-stündigen Tanz der Autofahrer um das Goldene Kalb“. Die Skulptur war wohl das umstrittenste Kunstwerk in der Berliner Nachkriegszeit. Tatsächlich umfahren es Autofahrer 24 Stunden jeden Tag an seinem Standort auf dem Rathenauplatz am Ende des Ku’damms.

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