Analyse von Finanzströmen: Geld gegen Feminismus

Christliche Stiftungen sowie Rechte aus Russland und den USA finanzieren den Kampf gegen Feminismus. Das geht aus einem neuen Bericht hervor.

Zwei maskierte Frauen mit Regenbogenfahnen bei einer LGBTQ Demonstration

Protest gegen Homophobie in Warschau im Mai 2021 Foto: Imago

BERLIN taz | Mehr als die Hälfte der Finanzierung für antifeministische Organisationen in Europa kommt offenbar aus Europa selbst, weitere Geldquellen sind russische Oligarchen und die christliche Rechte in den USA. Das geht aus einer Analyse von Finanzströmen hervor, die das Europäische Parlamentarische Forum (EPF) am Dienstag vorgestellt hat.

Das EPF vernetzt Par­lia­men­ta­rie­r:in­nen zum Thema sexuelle und reproduktive Rechte. Für den jüngsten Report hat das EPF 120 Gruppen gelistet, die sich in Europa gegen freien Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen, LGBTI-Rechte und Gleichstellungspolitik einsetzen. Zu 54 davon waren Finanzdaten verfügbar, die das EPF für die Jahre 2009 bis 2018 ausgewertet hat.

In dem Zeitraum kamen 81,3 Millionen US-Dollar aus den USA, 188,2 Millionen aus Russland und 437,7 Millionen aus der Europäischen Union. Die Gelder aus der EU haben sich im Verlauf von 10 Jahren mehr als verdreifacht. In der Zeit eröffneten antifeministische Organisationen Büros in der Nähe europäischer Institutionen, neue Onlineplattformen entstanden und die Initiativen vernetzten sich transnational.

„Die Lobbyarbeit hat in den letzten Jahren massiv zugenommen. Sie ist proaktiver geworden und professionalisiert sich immer stärker“, sagt Terry Reintke, Europaabgeordnete der Grünen. „Die Akteure versuchen sich einen Anschein von Seriosität zu geben, selbst wenn sie mit hasserfüllten Narrativen arbeiten.“

Reintke erwartet in den kommenden Tagen wieder Tausende E-Mails. Beschimpfungen landen meist im Spam-Ordner, aber es bleiben massenhaft E-Mails über Petitionsplattformen. Und juristische Statements, die analysieren, dass das Europäische Parlament seine Kompetenzen überschreite, wenn es sich zu Schwangerschaftsabbrüchen äußere.

Der aktuelle Anlass: Ende Juni wird das Parlament über den sogenannten Matic-Bericht abstimmen. „Der Matic-Bericht ist wahrscheinlich das aggressivste Projekt, das jemals im Europäischen Parlament vorgestellt wurde“, heißt es Kontext von Mails, die die Abgeordneten zum Nein auffordern. Ziel des Berichtes ist eine symbolische Anerkennung der Wichtigkeit, dass alle Bür­ge­r:in­nen Europas Zugangs zu sexueller und reproduktiver Gesundheit haben.

Christliche Rechte sind wichtige Finanziers

Viele der Akteur:innen, von denen Reintke und andere Abgeordnete gerade kontaktiert werden, tauchen im Report des EPF wieder auf. Die wichtigsten europäischen Geld­ge­be­r:in­nen sind christliche Stiftungen und Netzwerke aus Frankreich, Spanien, Italien und Polen.

Allein das katholische Netzwerk Tradition, Familie, Privateigentum, das auch in die Durchsetzung des De-facto-Abtreibungsverbots in Polen involviert war, hatte zwischen 2009 bis 2018 über 110 Millionen Dollar zur Verfügung. Genannt werden auch Stiftungen deutscher Adeliger, etwa „Ja zum Leben“, in dessen Beirat auch Gloria von Thurn und Taxis sitzt.

Die wichtigsten Finanziers aus den USA sind christliche Rechte, teilweise mit Verbindungen zur ehemaligen Trump-Administration. Deutlich mehr Geld kommt aber aus Russland: Allein von den beiden russischen Oligarchen Vladimir Yakunin und Konstantin Malofeev flossen über Umwege mehr als 180 Millionen Dollar nach Europa. Allerdings nahmen diese Gelder im Zuge der EU-Sanktionen ab. „Das Mindeste, was wir brauchen, ist eine systematische Beobachtung solcher Einflüsse“, sagt die Grünen-Abgeordnete Terry Reintke. „Sonst passiert die Infiltration, ohne dass jemand das richtig mitbekommen hat.“

Neil Datta, EPF-Sekretär und Autor des Berichts, nannte die Untersuchung „Spitze des Eisbergs“, weil die gelisteten Gelder wahrscheinlich nur ein Teil der tatsächlich verfügbaren sind. „Es ist unmöglich, das gesamte Volumen der Finanzierung zu schätzen“, sagt Datta. Einige Organisationen, zu denen keine Daten verfügbar sind, sind sehr groß. „Ich wäre überrascht, wenn die 707,2 Millionen überhaupt nur ein Drittel des Finanzvolumens ausmachen, das zwischen den Organisationen in Europa kursiert“, sagt Datta.

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