Osman Engin Die Coronachroniken: Osman hat Corona

Foto: privat

Osman Engin ist Satiriker in Bremen. Zu hören gibt es seine Kolumnen unter https://wortart.lnk.to/Osman_Corona. Sein Longseller ist der Krimi „Tote essen keinen Döner“ (dtv).

Das hinterhältige Corona trifft mich wie ein Keulenschlag! Und zwar genau dort, wo ich absolut wehrlos bin: beim Essen! Aber mein Hausarzt, Herr Doktor Gutdünken, weigert sich hartnäckig, mich zu behandeln, geschweige denn mich zu sehen. „Herr Engin, kommen Sie bloß nicht hierher! Außerdem waren Sie doch erst gestern hier und dabei kerngesund“, brüllt er mich am Telefon an.

„Aber Herr Doktor Gutdünken, wollen Sie mich denn nicht mal testen? Öhhhööö-ööööh…“

„Sagen sie mir doch jetzt am Telefon, was Sie haben.“

„Halsschmerzen, Husten, Atemnot, Todesangst. Das übliche Corona halt. Öööööhhh…“

„Gut, bleiben Sie zu Hause!“

„Kriege ich nicht mal irgendwelche Medikamente von Ihnen?“

„Es gibt keine Medikamente gegen diese Krankheit.“

„Herr Doktor Gutdünken, wenn Sie mich nicht testen und nicht behandeln und nicht dem Gesundheitsamt melden, damit fälschen Sie die Statistiken! Dadurch ist die Bundesregierung gegen diese schreckliche Krankheit total machtlos.“

„Sie dürfen auf jeden Fall nicht hierherkommen. Wir haben viele Risikopatienten hier in der Praxis.“

„Ich habe auch viele Risikopatienten bei mir zu Hause.“

„Herr Engin, warten Sie ab, und wenn Sie gar nicht mehr atmen können, dann gehen Sie ins Krankenhaus.“

„Wenn ich gar nicht mehr atmen kann, müsste ich doch eher zum Friedhof, oder?“

„Sie können ja immer noch locker reden. So schlimm wird’s wohl nicht sein. Seit wann sind Sie denn überhaupt krank? Gestern als Sie hier waren, waren Sie kerngesund.“

„Seit genau vier Minuten bin ich todkrank.“

„Sehen Sie, Ihre Beschwerden werden in ein paar Tagen noch viel schlimmer.“

„Vielen Dank! Sie wissen, wie man einen Corona­patienten beruhigt. Was soll ich jetzt machen? Öööööhhhöööö…“

„Hören Sie auf zu heulen. Legen Sie sich hin oder gehen Sie ins Krankenhaus. Bloß nicht hierherkommen. Sie sind hochgradig ansteckend.­“

„Und ich bin auch hochgradig gefährdet. Die Statistiken sagen, dass ich in meinem Alter bereits mit einem Bein im Grab bin – sogar ohne Corona!“

„Osman, was ist denn schon wieder los?“, kommt meine Frau Eminanim angelaufen. „Man kann dich beim Fischessen keine Sekunde aus den Augen lassen. Es ist jedes Mal das Gleiche!“, schimpft sie, steckt mir sofort zwei Finger in den Mund und fischt eine Gräte raus. Zugegeben nicht sehr groß, aber groß genug, um mich glatt ins Jenseits zu befördern.

Plötzlich kann ich atmen, muss nicht mehr husten und habe keine Halsschmerzen mehr.

„Herr Doktor Gutdünken, ich habe eine gute Nachricht für Sie: Ich bin plötzlich geheilt!“

„Wie bitte? Wie ist das möglich?“, wundert er sich.

„Ja! Spontane Wunderheilung! Darf ich jetzt zu Ihnen kommen?“