Nicht zimperlich

Wenn dein Trainer bei der Mannschaft keine gute Karten hat, dann brauchst du einen Co-Trainer, der das gerade biegt. Einen wie Timo „Schulle“ Schultz, seit ein paar Wochen bei den Profis des FC St. Pauli Co-Trainer von André Schubert. Der bisherige, Jan-Moritz Lichte, 32, der einen bis 2013 laufenden Vertrag hatte, verstärkt nun den Trainerstab des Erstligisten Bayer Leverkusen. „Ich bin von meinem Naturell immer einer gewesen, der Ansagen gemacht hat“, sagte Schultz der Hamburger Morgenpost. „Jetzt bin ich ganz klar einer der Vorgesetzten der Spieler. Die Frage ist immer nur, welchen Ton man anschlägt.“

Der 34-jährige Schultz ist in Wittmund, Ostfriesland, geboren. Im Kreis gibt es mehr Boßler und Klootschießer als Fußballer. Mit Kicken begann Schultz beim TuS Esens, ging 1996 zu Werder Bremen, wurde 1997 Pokalsieger, saß dabei vor allem auf der Bank, spielte dann für den VfB Lübeck, und landete im Januar 2003 bei Holstein Kiel.

Trainer Frank Neubarth sortierte Mittelfeldspieler „Schulle“ bei der ersten und dann bei der zweiten Mannschaft aus. Die Kieler Fans gingen auf die Barrikaden, Schultz spielte wieder – und schoss Tore. 2005 kam er ans Millerntor und ist geblieben.

Er war für die zweite Mannschaft vorgesehen, schaffte es dann doch ins Regionalligateam, trug in der Saison 2006 / 07 zum Aufstieg in die Zweite Liga bei, dann zum Klassenerhalt. 2009 / 10 stieg er mit Trainer Holger Stanislawski in die Erste Liga auf – als Joker: Am 25. September 2010, beim Heimspiel gegen Dortmund, wurde er mit Rückennummer 12 in der 83. Minute für Rouwen Hennings eingewechselt. St. Pauli verlor am Ende mit 1 : 3.

Insgesamt spielte er viermal in der Bundesliga, kassierte dort eine Gelbe Karte; machte alles in allem 69 Zweitligaspiele, schoss drei Tore, sah 21 Gelbe Karten. Zimperlich ist er offenbar nicht.

Sein Profivertrag lief am 30. Juni 2011 aus, Schultz unterschrieb einen Amateurvertrag, spielte 16 Mal für die zweite Mannschaft in der Regionalliga, dirigierte auf dem Platz und wurde Co-Trainer. Bis dann Schubert anrief.

„Schulle“ verkörpert Eigenschaften, von denen St.-Pauli-Fans glauben, dass sie bei ihren Spielern häufiger sind als bei denen anderer Vereine: Ehrlichkeit, Humor, Treue, Hilfsbereitschaft. Schultz bekundet die Hoffnung, dass die Spieler „nach wie vor zu mir kommen und sagen, was ihnen auf der Leber liegt. Allerdings bin ich weder Kummerkasten noch Gute-Laune-Onkel.“ Wie schon als Spieler sei ihm wichtig, „dass die Mannschaft funktioniert, sich alle für den Erfolg den Arsch aufreißen.“ Was für seinen eigenen Arsch unbedingt zu gelten scheint.  ROR