Hamburgs Schwimmbäder unter Druck: Land unter im Becken

Um den Zugang zu Hamburgs Schwimmbädern herrschte schon vor Corona Konkurrenz. Nun gibt es wieder Schwimmlernkurse – aber auch gehörig Stau.

Zwei Kinder schwimmen in einem Schwimmbad mit Schwimmbrettern

An ihnen liegt es nicht: Viertklässlerinnen lernen Schwimmmen Foto: Sina Schuldt/dpa

HAMBURG taz | Die Lage ist nicht besser geworden. Dass nur rund die Hälfte der Kinder in Hamburg sicher schwimmen können, darauf wies die Deutsche Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) vor 15 Monaten hin. Die Wartezeiten für einen Platz im Schwimmkurs betragen teils länger als ein Jahr. Seit Beginn der Coronapandemie seien mindestens 15.000 Kinder dazugekommen, die gar keinen Schwimmunterricht erhalten haben – man sei zusätzliche anderthalb Jahre in Verzug, so Heiko Mählmann, Präsident der Hamburger DLRG.

Die Hamburgische Bürgerschaft nahm Ende März einstimmig einen Antrag von SPD und Grünen an, der besagt: Lernkurse sind bei der Wiederöffnung der Bäder zu bevorzugen. Die DLRG, der Hamburger Schwimmverband (HSV), die für Sport zuständige Innenbehörde sowie der städtische Schwimmbadbetreiber Bäderland sollten ein Konzept dafür erarbeiten, möglichst vielen Kindern das Schwimmen beizubringen.

Mählmann sagt, dieses Konzept habe vorgesehen, die Bäder zunächst „rein fürs Anfängerschwimmen“ zu öffnen. So hätte es dafür „deutlich mehr Wasserfläche“ gegeben. Bei Erstellung setzten die Beteiligten darauf, dass es so bald keinen öffentlichen Betrieb der Bäder geben würde. Dann kam die nächste Lockerung – und warf diese Pläne über den Haufen. Bäderland-Sprecher Michael Dietel sagt, dass er von den Lockerungen Anfang Juni aus dem Radio erfahren habe. Thomas Ahme, 2. Vorsitzender des HSV, spricht davon, dass der Senat „plötzlich“ die Hallenbäder habe öffnen wollen. Eine Folge: Im Familienbad Ohlsdorf wurden einige Wasserzeiten wieder zurückgezogen, die den Vereinen fest zugesagt gewesen waren.

Allzu kurzfristig gelockert

Auch Heike Menck vom Hamburger Schwimm-Club ist mit ihren ehrenamtlich geleiteten Übungsstunden von den kurzfristigen Änderungen betroffen. Sie sei „entsetzt“ darüber, dass die „Öffnung auf Kosten der Schwimmlerner“ passiere. Eine Verschiebung der Übungsstunden auf andere Zeiten sei nicht möglich.

Um die „Wasserzeiten“ in den Bädern herrscht reichlich Konkurrenz: Früh morgens darf unter der Woche die Allgemeinheit in die Becken, dann finden bis 16 Uhr die Bäderland-Kurse statt, dann erst sind die Vereine dran. Die einzige verbleibende Zeit etwa für Familien sei das Wochenende, sagt Bäderland-Sprecher Dietel und spricht von einer „irrtümlichen Vergabe“ der Wasserzeiten. Die Innenbehörde erkennt ein „kommunikatives Missverständnis“. DLRG-Präsident Mählmann kann die Öffnung für die Allgemeinheit verstehen: „Jeder hungert nach einem Jahr Pandemie nach dem Schwimmbad oder Freibad.“ Schwimmenlernen gehöre aber zum Großwerden, so wie Lesen und Schreiben lernen.

Trotz aller Widrigkeiten und Konflikte hätten die „Vereine und Verbände“ rund 200 Kurse gestartet, so die Behörde. Auch Bäderland biete von Juni bis August normalerweise rund 80 Kurse an, jetzt seien es knapp vier Mal so viel, sagt Sprecher Dietel. Ob dieser Zuwachs reicht, um den Rückstand aufzuholen? Verbandsfunktionär Ahme bezweifelt das: „Wir werden hierdurch keine zusätzlichen Nichtschwimmer ausbilden können, sondern eher weniger, da die Gruppen aufgrund der Auflagen nicht so groß sein dürfen.“

Mehr Stunden sind zu wenig

Auch Mehmet Yildiz, sportpolitischer Sprecher der Linksfraktion, sagt, zusätzliche Stunden werden das Problem nicht lösen. Es brauche insgesamt mehr Schwimmhallen, um allen Gruppen eine Nutzung zu ermöglichen – auch weil Hamburg den Bedarf etlicher Umlandgemeinden mit befriedige.

Mählmann spricht ein weiteres Problemfeld an: Die „Schwimmkompetenz hängt mit der sozialräumlichen Umgebung zusammen“: In reicheren Stadtteilen könnten die Kinder besser schwimmen als in ärmeren. Zudem sei der Schwimmbadbesuch für viele Familien inzwischen Luxus.

Bis zu echter Besserung dürfte es dauern. Bis dahin ist es an Eh­ren­amt­le­r:in­nen wie Heike Menck, „in diese sechsjährigen Kinderaugen zu blicken und ihnen die schlechten Neuigkeiten mitzuteilen“.

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