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: Unorthodoxes Trainingspensum

FUSSBALL Der frühere Stasi-Klub BFC Dynamo will aus der fünften Liga raus. Dafür professionalisiert er sich mit Videosichtung und Scouting

Nur viermal die Woche trainieren? So funktioniere das bei einem Traditionsverein nicht, sagt der Trainer

Der enttäuschende 13. Rang in der abgelaufenen Amateur-Oberliga 2011/2012 war dann doch zu viel für das Selbstverständnis des früheren Fußball-Rekordmeisters der DDR. Als am vergangenen Donnerstag beim BFC Dynamo im Sportforum Hohenschönhausen nach der Sommerpause die Trainingsarbeit wieder aufgenommen wurde, waren von der am Regionalliga-Aufstieg kläglich gescheiterten Mannschaft nicht mehr viele Spieler übrig geblieben. Rund ein Dutzend Aktive haben den Verein verlassen oder mussten Platz machen für einen radikalen Umbruch beim BFC.

Mit einschneidenden Reformen will der zuletzt von sportlichen Rückschlägen und negativen Schlagzeilen über Fanausschreitungen im DFB-Pokal gegen den 1. FC Kaiserslautern gebeutelte frühere Europoacupstarter wieder positiv von sich reden machen. „Der Verein verdient es einfach“, sagt der neue Trainer, Volkan Uluc, der die Dynamos schon früher trainierte, bevor er Engagements in Iran und Bahrain übernahm.

Mehr Qualität im Kader

Dynamo stellt in Zukunft deutlich höhere Anforderungen an seinen Mannschaftskader, sowohl in spielerischer als auch zeitlicher Hinsicht. In der kommenden Saison wird im Sportforum bis zu zweimal täglich trainiert, jede Woche soll es bis zu sieben Übungseinheiten geben. Das übersteigt das übliche Maß in der fünftklassigen Oberliga, wo sonst überwiegend Feierabend-Fußballer dem Ball nachjagen. „Nur mit Training um 18 Uhr und dann drei-, viermal in der Woche – so funktioniert das nicht bei einem Traditionsclub wie dem BFC“, begründet Uluc den gestiegenen Arbeitsaufwand. Auch die neu verpflichteten Spieler sollen höheren Ansprüchen gerecht werden. Vor allem Akteure aus der eine Spielklasse über der Oberliga angesiedelten Regionalliga wie der frühere Profi des 1. FC Union, Björn Brunnemann (Berliner AK), oder ehrgeizige Talente wie Christoph Köhne (1. FC Magdeburg) und Patrick Brendel (Meuselwitz) wechselten jetzt ins Sportforum.

Auch die Arbeitsbedingungen werden dort kräftig umgekrempelt: Die Trainingsinhalte sowie Stärken und Schwächen der Oberliga-Gegner werden mittels Einsatz von Videoaufzeichnungen analysiert. Zusätzlich baut der BFC eine Scouting-Abteilung auf, um geeignete Spieler zur Verstärkung des Teams zu sichten und Transfer-Flops in Zukunft zu vermeiden. Auf zwei Jahre hat der BFC seinen Plan zur Professionalisierung angelegt. Für das neue Spieljahr 2012/2013 beträgt der Etat stolze 600.000 Euro, Nachwuchsarbeit inklusive. Offiziell begründet BFC-Sprecher Martin Richter den neuen Kurs mit dem Bestreben, „Zuschauer durch attraktive Spielweise zurückzugewinnen“. Zuletzt war der Zuspruch von rund 800 Besuchern in 2010/2011 auf magere 324 Fans pro Heimspiel gesunken.

Uluc weiß, was von ihm erwartet wird, wenn er mit dem früheren DDR-Rekordchampion Mitte August mit einem Auswärtsspiel in Greifswald in die neue Punktspielrunde startet. „Natürlich wollen wir oben mitspielen. Wir wollen schauen, dass wir in zwei Jahren da rauskommen“, sagt der Dynamo-Coach.

Raus aus der Oberliga, rein in das Regionalliga-Vergnügen? Eine Klasse höher hätte der BFC Kontrahenten, die wie ein Zuschauermagnet auf den Dynamo-Anhang wirken würden: Lok Leipzig, 1. FC Magdeburg, FSV Zwickau oder Carl Zeiss Jena – ehemalige Weggefährten des BFC in der einstigen DDR-Oberliga. „Das wären attraktive Gegner, ganz klar“, betont Richter.

Für das Selbstverständnis der Clubs muss der Aufstieg gelingen. Denn inzwischen haben sogar Nobodys wie TSG Neustrelitz, Optik Rathenow oder – besonders bitter für die BFC-Gemeinde – die Reservemannschaft des Erzrivalen 1. FC Union aus Köpenick die Dynamos um eine Spielklasse überflügelt. JÜRGEN SCHULZ