Für den ganz großen Auftritt

INTERNET Statt sich zu streiten, sollten sich Zeitungsverlage und öffentlich-rechtliche Sender verbünden. Sonst werden junge Zielgruppen sie bald links liegen lassen

■ ist Parteivorsitzender von Bündnis90/Die Grünen und wie Passek Mitglied des ZDF-Fernsehrats

VON CEM ÖZDEMIR
UND OLIVER PASSEK

Bild kauft Bundesligarechte“ lautete die Schlagzeile am 17. April dieses Jahres, und weiter: „Springer setzt auf das Zugpferd Bundesliga“. Die Richtung ist klar: Die Zeitungsverleger erschließen sich den Marktplatz Internet auch für audiovisuelle Berichterstattung. Keiner in Deutschland praktiziert dies gerade so konsequent wie Axel Springer. Die Übertragungsrechte der Fußball-Bundesliga für das stationäre und mobile Internet gehen für die nächsten vier Spielzeiten an den Mutterkonzern der Bild-Zeitung.

Natürlich ist Axel Springer nicht repräsentativ für die von einer immensen, mittlerweile im globalen Kontext stattfindenden Konzentration geplagte Medienlandschaft. Gerade die deutsche Zeitungslandschaft ist immer noch durch zahlreiche kleinere und mittelgroße Verlage geprägt. Doch auch diese setzen verstärkt auf die „Karte Internet“, wie erfolgreiche Mittelständler, zum Beispiel die Mediengruppe Pressedruck, eindrucksvoll zeigen. Rundfunkaktivitäten, Internetdienstleistungen und Berichterstattung der Printmedien treffen dort aufeinander. Neue Geschäftsfelder müssen und werden erschlossen, weit über die Zeitung hinaus.

Umso ärgerlicher, dass trotz der Innovationspolitik der Verlage der seit Jahren tobende Streit mit den Zeitungsverlagen über den Umfang der öffentlich-rechtlichen Aktivitäten im Netz immer weitere Runden dreht. Für den 19. Juli ist der nächste Gerichtstermin in Sachen Zulässigkeit der sehr erfolgreichen „Tagesschau App“ angesagt. Parallel ringen ARD, ZDF und die Verleger seit Monaten um eine sogenannte Gemeinsame Erklärung, die einen Grundkonsens über die Internetaktivitäten der beiden Sender abbilden soll.

Dabei steht aus Verlegersicht vor allem der Umfang der Textangebote bei den Telemedienangeboten der öffentlich-rechtlichen Sender im Mittelpunkt. Doch lässt sich hier wirklich ein Konsens herstellen, der die ohnehin restriktiven rechtlichen Vorgaben (keine presseähnlichen Angebote ohne Sendungsbezug, 7-Tage-Frist, Negativliste …) so konkretisiert, dass Klagen der Verleger künftig ausbleiben?

Wohl kaum. Die Bedeutung des Netzes nimmt so rasant zu, dass den Öffentlich-Rechtlichen hier die Türen vielmehr weiter geöffnet werden müssen, damit sie ihre Akzeptanz bei den jungen Mediennutzerinnen nicht komplett verlieren.

Nur noch 45 Prozent der 18- bis 29-Jährigen sprechen sich in Umfragen für den Erhalt des gebührenfinanzierten Systems aus. Dies ist mehr als ein Alarmsignal und dokumentiert das sich radikal verändernde Mediennutzungsverhalten. Das Internet ist schon jetzt das Leitmedium der jungen Generation, und auch ARD und ZDF tragen dem längst Rechnung, sei es mit Facebook-Profilen, YouTube Channels oder der Präsenz ihrer Mediatheken auf Spielekonsolen.

■ ist Sprecher der Bundesarbeitsgemeinschaft Medien- und Netzpolitik von Bündnis 90/Die Grünen. Außerdem ist er Mitglied des ZDF-Fernsehrats.

Dieser Entwicklung muss endlich auch die Medienpolitik folgen. Das Internet muss auf Dauer neben Fernsehen und Hörfunk zur gleichberechtigten „dritten Säule“ öffentlich-rechtlicher Aktivitäten ausgebaut werden. Dem muss der Rundfunkstaatsvertrag – unter Beachtung der EU-Vorgaben –, aber zum Beispiel genauso auch die Finanzbedarfsermittlungs-Kommission (KEF) bei der Gebührenverteilung Folge leisten. Nur so werden wir jüngere Zielgruppen weiter an das Qualitätsmedium öffentlich-rechtlicher Rundfunk binden können. Für die dafür notwendige Internetpräsenz sind Textbausteine unabdingbar, auch wenn natürlich audiovisuelle Elemente im Fokus stehen. Das müssen auch die Verleger verstehen – oder wollen sie einem jungen Menschen wirklich erklären, was genau der Unterschied zwischen einem Textangebot in einem Telemedium und auf der Internetpräsenz einer Tageszeitung ist? Dürfen ARD und ZDF künftig keine Twitter-Botschaften mehr verschicken, weil hier 140 Zeichen Text im Mittelpunkt stehen? Oder müssen sie die Kommentarfunktion in sozialen Netzwerken abschalten, weil auch hier zu viel „getextet“ wird? Bei Googles „Projekt Internetbrille“ dürften sie aber mitmachen, weil visuelle Elemente die Textpassagen überlagern?

Das klingt nicht nur im Zeitalter der fortschreitenden Medienkonvergenz mehr als absurd. Den Zeitungsverlegern wäre auch nicht geholfen, wenn die öffentlich-rechtlichen Sender im Internet weiter begrenzt würden. Beide Seiten sollten sich vielmehr verbünden, um in den hybriden Medienzugängen von morgen überhaupt noch wahrgenommen zu werden.

Man denke nur an die TV-Plattformen von Apple oder Google. Dort werden künftig vermutlich die Angebote der Sportverbände (DFB-TV), der globalen Broadcaster (Hulu) oder der sozialen Netzwerke (YouTube Movie Channel) neben den Apps und Mediatheken von ARD/ ZDF, der Zeit und des Spiegels um Aufmerksamkeit der Nutzerinnen und Nutzer buhlen. Das Verhältnis von Text, Bild und Video hier kleinteilig zu bemessen würde der Suche nach der berühmten Stecknadel im Heuhaufen gleichen. Da hilft auch keine gemeinsame Erklärung, sie macht – zumindest in der jetzt bekannten Fassung – leider alles nur noch komplizierter und weniger nachvollziehbar.