Opposition in Aserbaidschan: Blogger in Todesangst

Der aserbaidschanische Oppositionelle Mohammed Mirzali lebt im französischen Exil. Bei einem Angriff wurde er verletzt. Jetzt wird er erneut bedroht.

Blogger Mohammed Mirzal bei einem youtube Interview

Mohammed Mirzali verließ 2016 Aserbaidschan Foto: CIVILNET/youtube/screenshot taz

BERLIN taz | „Ich werde bald getötet werden, das spüre ich. Sollte das so kommen, sind zwei Seiten schuld: Alijew und die Gleichgültigkeit der französischen Regierung“, heißt es in einem Tweet des aserbaidschanischen Bloggers Mohammed Mirzali.

Die Befürchtungen des 27-Jährigen, der Aserbaidschan 2016 aus politischen Gründen verlassen hatte und derzeit mit seiner Familie in Nantes lebt, sind begründet: Bereits im vergangenen Oktober hatte ein Unbekannter auf das Auto des Oppositionellen geschossen und Mirzali an der Schulter verletzt. Im März dieses Jahres wurde er in Nantes Opfer eines Messerangriffs. Er verlor drei Liter Blut und musste sich einer mehrstündigen Notoperation unterziehen.

Anfang Juni wurde ein Fenster seines Wagens eingeschlagen und auf dem Rücksicht eine Notiz in türkischer Sprache hinterlassen: „Das ist für dich!“ Kurz darauf hatte ein Mann Mirzalis Wohnhaus fotografiert und versucht, sich Zutritt zu dessen Wohnung zu verschaffen.

Der Grund für die neuerlichen Bedrohungen dürfte in einem Interview zu suchen sein, das Mirzali dem armenischen Nachrichtenportal CivilNet am 31. Mai gegeben hatte. „Ihr seid Armenier, ich bin Aserbaidschaner. Vielleicht wird es Leute in unseren Ländern geben, die uns als Verräter bezeichnen. Doch unser Dialog ist das erste Samenkorn für einen Frieden. Wie lange werden wir uns noch gegenseitig töten? Das muss aufhören“, sagt Mirzali.

Über 8000 Kriegstote

Damit bezieht er sich auf den jüngsten Krieg zwischen Armenien und Aserbaidschan um das Gebiet Bergkarabach im vergangenen Herbst. Bei den bewaffneten Auseinandersetzungen mit über 8.000 Toten hatte Aserbaidschan mit Unterstützung der Türkei mehrere Gebiete zurückerobert. Die Umsetzung eines Waffenstillstandsabkommens überwachen russischen Truppen.

Die Armenier seien glücklich, die Aserbaidschaner hingegen würden zu Kreuze kriechen. „Aserbaidschans Regierung hat uns belogen und gesagt, wir hätten den Krieg gewonnen. Doch ist das ein Sieg, jetzt, wo wir die russische Armee nach Bergkarabach hineingelassen haben?“, fragt Mirzali in dem Interview.

Besonders diese Aussagen dürften Aserbaidschans Präsidenten Ilham Alijew gar nicht gefallen. Alijew ist für seinen brutalen Umgang mit Kri­ti­ke­r*in­nen bekannt. Das gilt besonders für diejenigen, die die korrupten Machenschaften seines Familienclans anprangern.

Enthüllungen über Korruption sind auch eine Spezialität von Mirzali. Sein YouTube-Kanal „Made In Azerbaijan“ hat 268.000 Abonnent*innen, manchmal verzeichnen seine Videos Millionen Klicks. Trotz der Drohungen will er nicht locker lassen. „Mein Land und meine Familie werden von der aserbaidschanischen Regierung verfolgt. Wie kann ich da ruhig bleiben? Ich habe mich bis jetzt geäussert und werde das auch weiter tun, auch wenn das tödlich endet“, zitiert ihn das Nachrichtenprotal von Radio Free Europe.

Tod in Istanbul

Am 2. Mai 2021 wurde der aserbaidschanische Blogger Bayram Mammadow in Istanbul tot aufgefunden. Dort hielt er sich zu Studienzwecken auf. Der 27-jährige, Mitglied der pro-demokratischen Jugendbewegung NIDA, war 2016 wegen eines Graffiti in Baku zu zehn Jahren Haft verurteilt worden. Offiziell lautete die Anklage auf Drogenbesitz. Drei Jahre später kam er im Zuge einer allgemeinen Amnesty frei. Danach wurde er noch mehrmals festgenommen und berichtete auch immer wieder von Folter.

Während die Polizei zunächst von einem möglichen Suizid sprach, glauben enge Freunde Mammadows, dass er ermordet worden sein könnte. Die Ermittlungen dauern an.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.