Venedig: Proteste gegen die Rückkehr der dicken Pötte

Erstmals seit anderthalb Jahren erscheint in Venedig wieder ein großes Kreuzfahrtschiff in der Lagune. Der Streit, ob die der Stadt mehr schaden als nützen, beginnt von Neuem

Durch die Lagune in Venedig arbeitet sich ein tonnenschwerer Stahlkoloss durchs Wasser, umringt von Dutzenden kleinen Booten, die wie Spielzeuge dagegen wirken. In den Bötchen sitzen fahnenschwenkende Menschen, vom Ufer schallen Sprechchöre. Die Rufe der Menschen sind kein Jubel, sondern vielmehr der Ausdruck von Ärger über eine Branche, die nach der Coronapandemie wieder aus dem Schlaf erwacht: Kreuzfahrten. Nach gut eineinhalb Jahren legte am Samstag unter lautstarken Protesten wieder ein großes Kreuzfahrtschiff in Venedig ab.

In den Rufen Hunderter Demonstranten erklingt die klare Botschaft: „Große Schiffe raus aus der Lagune“. In ihren Booten, mit Fahnen und Spruchbändern passten die Demonstranten den Kreuzer ab. Die Bewegung „No Grandi Navi“ (Keine großen Schiffe) hatte zu den Protesten aufgerufen. Über Monate hatte wegen der Coronapandemie kein großes Kreuzfahrtschiff in der Weltkulturerbestadt angelegt. Das Virus ließ in der sonst vor Touristen brummenden Stadt Ruhe einkehren, was einige Bewohner freute, Geschäftstreibende aber an ihre wirtschaftlichen Grenzen brachte.

Über die Kreuzfahrtschiffe wird in der Stadt im Nordosten Italiens seit Jahren gestritten. Die „MSC Orchestra“, ein Schiff, das nach Unternehmensangaben 2.550 Passagiere beherbergen und eine Besatzung von mehr als 1.000 Menschen mit sich führen kann, brach zu einer einwöchigen Mittelmeerkreuzfahrt auf. Knapp 294 Meter Länge und rund 60 Meter Höhe misst der Pott. Das Schiff gehört eher zu den mittelgroßen Kreuzern. Die „MSC Orchestra“ soll bis Mitte Oktober jeden Samstag in Venedig anlegen.

Für Ärger hatte in Venedig vor allem die Route des Schiffs durch die Lagune gesorgt. Genau da wollen die Gegner die großen Kreuzfahrtschiffe nicht mehr haben. „Das hätte ein April-Scherz sein können“, schrieben „No Grandi Navi“ in ihrer Protest-Ankündigung mit Bezug auf eine Regelung, die am 1. April in Kraft trat. Darin veranlasste die Regierung in Rom einen Ideenwettbewerb, um Lösungsvorschläge für eine Anlegestelle außerhalb der Lagune zu sammeln. Dass es in Venedig jetzt schon mit den Kreuzfahrten wieder losgeht, überraschte dagegen den Kreuzfahrtverband Clia. Nach den Millionenverlusten in der Industrie sei das ein positives Zeichen, sagte der Italien-Chef des Verbands, Francesco Galietti, der Deutschen Presse-Agentur.

Das Thema Kreuzfahrt in Venedig hatte sogar internationale Promis auf den Plan gerufen, darunter Rolling-Stones-Sänger Mick Jagger, Schauspielerin Tilda Swinton und Regisseur James Ivory. Sie hatten in einem offenen Brief einen „Stopp für den Verkehr großer Schiffe in der Lagune“ gefordert. Das Schreiben war an Italiens Regierung adressiert. (dpa)