MH17-Prozess in den Niederlanden: Das Hauptverfahren beginnt

2014 wurde ein Flugzeug über der Ukraine abgeschossen. Nun stehen erste Anhörungen im MH17-Prozess an. Die Angeklagten sind abwesend.

ein Mann mit Maske vor einem Flugzeugwrack

Richter Hendrik Steenhuis vor der Rekonstruktion des abgeschossenen Flugzeuges im Mai Foto: Peter Dejong/ap

AMSTERDAM taz | Knapp sieben Jahre nach dem Abschuss von Malaysia-Airlines-Flug MH17 über der Ostukraine beginnt am Montag am Gerichtshof Den Haag die inhaltliche Phase des Strafverfahrens. Wegen spezieller Sicherheitsvorkehrungen findet dieses im Justizkomplex nahe dem Amsterdamer Flughafen Schiphol statt. Seit März 2020 müssen sich dort vier Angeklagte wegen Herbeiführung des Abschusses mit Todesfolge und Ermordung aller 298 Insassen – 283 Passagiere und 15 Crew-Mitglieder – verantworten.

Da mit 193 die weitaus meisten Opfer aus den Niederlanden stammten, beschlossen die teilnehmenden Staaten des Joint Investigation Teams (JIT) eine strafrechtliche Verfolgung in diesem Land. Ein Veto Russlands im UN-Sicherheitsrat im Fall MH17 hatte eine zuvor angestrebte Verhandlung an einem UN-Tribunal verhindert.

Die JIT-Untersuchungen der letzten Jahre kamen 2019 zum Schluss, die für den MH17-Abschuss verantwortliche BUK-Rakete sei von prorussischen Rebellen abgefeuert worden und stamme von der 53. russischen Luftabwehrbrigade aus Kursk. Russland weist jegliche Verantwortung zurück.

Drei der vier Verdächtigen sind russische Staatsbürger, einer stammt aus der Ukraine. Dazu zählt der als Strelkow bekannte Igor Girkin, ein früherer Geheimdienstler, Verteidigungsminister und Armeechef der selbsternannten Volksrepublik Donezk, über deren Gebiet der Abschuss stattfand.

Verfahren in Abwesenheit

Weiter geht es um seinen Stellvertreter Sergei Dubinsky, einen Angehörigen des militärischen Geheimdiensts GRU, und Oleg Pulatow, Mitglied einer GRU-Spezialeinheit und stellvertretender Geheimdienstchef in Donezk. Der ukrainische Staatsbürger ist Leonid Kharchenko, der zum Zeitpunkt des Abschusses im Gebiet von Donezk eine militärische Einheit befehligte.

Das vor 15 Monaten begonnene MH17-Verfahren findet ohne die Verdächtigen statt, von denen sich nur Pulatow von Anwälten vertreten lässt. Diesen zufolge war er am Krieg in der Ukraine beteiligt, bestreitet aber jede Beteiligung am Abschuss des Flugzeugs.

Die bisherigen Sitzungen des Gerichtshofs zählten zur vorbereitenden Phase, wo es vor allem um verfahrenstechnische Angelegenheiten ging. Zuletzt fand Ende Mai ein Ortstermin auf der Militärbasis in Gilze-Rijen statt, wo die Richter sich die dort befindliche Rekonstruktion des Flugzeugs aus Wrackteilen ansahen. Die Verteidigung Pulatows, die den Abschuss durch eine russische Rakete anzweifelt, will weitere Wrackteile untersuchen lassen.

Mit dem Hauptverfahren beginnen nun die inhaltlichen Anhörungen, bei denen es um den Tathergang und die vermeintliche Rolle der Verdächtigen geht. Im September sollen auch mehr als 80 Hinterbliebene der Opfer zu Wort kommen. Wie lange der Prozess dauern wird, ist nicht bekannt.

Ein Teil der Angehörigen, die sich in einer „Arbeitsgruppe Wahrheitsfindung MH17“ zusammengefunden haben, organisierte am Sonntag in Den Haag einen stillen Protest vor der russischen Botschaft. Damit kritisieren sie die „absichtliche Behinderung“ des Prozesses durch Russland.

Thomas Schansman, ein Mitglied der Gruppe, ist gespannt auf mögliches neues Beweismaterial und darauf, wie die Verteidigung darauf reagiert. „Ich hatte erwartet, dass neben den vier Angeklagten weitere Namen bekannt gemacht und die Verbindung zum russischen Verteidigungsminister gezeigt würde“, sagt er.

Sander van Luik, der Sprecher der Gruppe, sagte der taz: „Es ist frustrierend, erst gut ein Jahr nach Prozessbeginn zum Inhalt zu kommen. Wir warten schon sieben Jahre. Aber wenn dieses Jahr zusätzliche Fragen und Untersuchungen zur Wahrheitsfindung und dem Glauben an einen ehrlichen Prozess beiträgt, war es die Mühe wert.“

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