„Immer wieder beschleicht mich das Gefühl, dass ich allein dadurch, dass ich eine Frau bin, Nachteile habe“

Im Juli des vergangenen Jahres wurde die promovierte Rechtswissenschaftlerin Rewaz Faiq Hussein erste Präsidentin des kurdischen Parlaments in Erbil. Ein Gespräch über die politische Teilhabe von Frauen

Dida Gubari

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Dida Gubari ist eine TV-Journalistin aus Erbil. Wenn sie als Präsidentin des Irak das Sagen hätte, würde sie die Trennung von Politik und Religion anpacken, denn die Vermischung, sagt sie, spalte die Gesellschaft und verhindere die Entwicklung des Landes.

taz: Frau Hussein, im kurdischen Parlament gilt eine Frauenquote von 30 Prozent. Stärkt dies automatisch die Rolle der Frauen in der Politik?

Rewaz Faiq Hussein: Die Sicht der kurdischen Gesellschaft auf die politische Teilhabe von Frauen hat sich seit 1991 nicht grundlegend geändert. Der damalige Aufstand gegen das Regime von Saddam Hussein hat zwar das politische System unseres Landes auf den Kopf gestellt und letztendlich auch 1992 zur Gründung des kurdischen Parlaments geführt, auf die gesellschaftlichen Ansichten hinsichtlich der Rolle von Frauen in der Politik hatte dies aber so gut wie keinen Einfluss.

Trotzdem haben Sie es geschafft, Parlamentspräsidentin zu werden. Zeugt das nicht von einem Wandel?

Nicht wirklich. Egal ob es um meine Aufgaben innerhalb des Parlaments geht, um die Bewältigung der Finanz- oder Wirtschaftskrise oder um ganz alltägliche politische Konflikte – immer wieder beschleicht mich das Gefühl, dass ich allein dadurch, dass ich eine Frau bin, Nachteile habe.

Und wie gehen Sie damit um?

Ich versuche die Diskriminierung in Stärke umzuwandeln. Einfach, indem ich mich noch mehr bemühe, noch mehr in meine politische Arbeit investiere. Als Frau, die es geschafft hat, in eine hohe politische Position zu kommen, trage ich gegenüber der Gesellschaft eine ganz besondere Verantwortung. Mein Beispiel kann Schule machen und zeigen, dass Frauen Führungsrollen anvertraut werden können und sie generell mit Männern auch in der Politik auf Augenhöhe zusammenarbeiten können.

Können Sie dabei auch politische Veränderungen zugunsten von Frauen vorantreiben?

Ja, wir wollen die Rechte von Frauen im Verfassungsentwurf der Region Kurdistan garantieren. Außerdem arbeiten wir an einer Reform des Gesetzes gegen häusliche Gewalt sowie an einem Gesetz, das die Rechte von Kindern stärken soll.

„Ich versuche die Diskriminierung in Stärke umzuwandeln. Einfach, indem ich mich noch mehr bemühe“

Tauschen Sie sich darüber auch mit Politikerinnen aus Bagdad aus, die dem Repräsentantenrat der irakischen Zentralregierung angehören?

Ja, gerade wenn es um Gesetzesentwürfe geht, ansonsten je nach Bedarf. Generell ist jedoch unser Rechtssystem in der Region Kurdis­tan etwas fortschrittlicher als das im Rest des Irak geltende Bundesrecht.