Bernhard Pötter
Wir retten die Welt
: Freispruch für die Paragrafen-Piefkes

Das Schlimmste war Zivilrecht: Dröge Verträge, ödes Arbeitsrecht, schnarchiger Schadenersatz. Mein Jurastudium war so nervtötend, dass ich es zum Nebenfach degradierte. Was mich vielleicht am meisten störte: Wie waaaahnsinnig konservativ diese ErbsenzählerInnen waren. Nichts durfte sich ändern, niemand durfte am Fundament der „herrschenden Lehre“ rütteln. Nicht umsonst nennen sie es das Bürgerliche Recht – und die Rechts-Wissenschaft.

Allerdings habe ich mit Justitia inzwischen Rechtsfrieden geschlossen. Jetzt schätze ich eine gut geölte Bürokratie, staubtrockene, aber präzise BeamtInnen und Kanzleien, Gerichte und Staatsanwaltschaften, die jeden Tag humorlos unsere Verfassung gegen Trumpisten, Covidioten und die AfD schützen.

Und jetzt auch noch das: Revolutionäre Rote Roben! Bislang waren die heiligen Kühe der Justiz ja Eigentum, Freiheit und Das-war-schon-immer-so! Aber plötzlich haut das Bundesverfassungsgericht unserer Regierung ihren „Klimaschutz“ um die Ohren – mit dem alten Spontiargument „wir haben diese Erde von unseren Kindern nur geliehen!“. Und in den Niederlanden, wo die Überflutungsgefahr schon im Namen steht, hat erst das oberste Gericht die Regierung zu mehr Klimaschutz verknackt. Und jetzt ein Bezirksgericht dem Ölmulti Shell bescheinigt, dass es kein Geschäftsmodell sein darf, die Erde zu toasten.

Ich erkenne die übervorsichtigen Legal-Langweiler aus dem Studium nicht mehr wieder. Natürlich gab es immer aufrechte JuristInnen, aber was ist aus der alten zynischen Weisheit von Kaiser Ferdinand I. geworden: „Fiat Justitia et pereat mundus?“ Gerechtigkeit muss herrschen, auch wenn die Welt untergeht? Plötzlich passen Justiz und Weltretten zusammen?

Das liegt wohl daran, dass die Ökokalypse inzwischen auch hierzulande Eigentum, Freiheit und Das-war-schon-immer-so! gefährdet. So geht Konservatismus: Nichts soll sich ändern, auch nicht die globale Temperatur – vor allem nicht, wenn es das Völkerrecht verbietet. Alles soll bleiben wie es ist, zum Beispiel der Regenwald und Grönland. Wer das Alte gering schätzt, sollte mal versuchen, einen Wald zu erhalten. Niemand soll an den Fundamenten rütteln, auch nicht Shell an den Deichen der Niederlande.

Ich plädiere also auf Freispruch für die Paragrafen-Piefkes. Denn was für eine Vorstellung aus Öko-Sicht: Die herrschende Leere mit Ideen zum Überleben füllen. Und nicht nur recht haben, sondern auch recht bekommen.