Sichere Gesprächsräume gegen ein Tabu

Libanon: Line Tabet Masri arbeitet in der libanesischen Wirtschaftskrise daran, dass bei Hilfskampagnen auch die Frauengesundheit berücksichtigt wird

Line Tibet Masri Foto: Julia Neumann

Line Tabet Masri ist 35 Jahre und hat zwei kleine Töchter. Vor fünf Jahren hat sie damit begonnen, mit Freundinnen auch über Menstruation zu sprechen. Nun sitzt sie in ihrer großzügigen Wohnung in der libanesischen Hauptstadt Beirut im 16. Stock mit Blick auf die Berge und spricht passioniert über die Periode. „Die Würde einer Frau darf nicht abhängig sein vom Einkommen oder ihrer Herkunft“, sagt sie bestimmt.

Der Schein des großen Wohnzimmers trügt. Masri hat ihre Ersparnisse verloren, weil Libanons Währung kollabiert ist. Zehn der günstigsten Binden kosten heute umgerechnet 4 Euro, eine kleine Packung Tampons fast 25 Euro. Das ist viel Geld in dem verarmten Land.

In der Krise begann Masri damit, Hilfspakete zu packen. „Dabei ist mir aufgefallen, dass wir Zahnpasta oder Desinfektionsmittel spenden, aber keine Binden.“ Das sei eine sehr männliche Sicht. Deshalb initiierte sie gemeinsam mit ihrer Freundin Rana Haddad im Mai letzten Jahres das Projekt „Meine Periode“. Sie arbeitet mit einem Bindenhersteller zusammen, hat Spendenboxen in Apotheken aufgestellt und nimmt auch Einzelspenden an der Haustür an – alles ehrenamtlich.

Durch diese Arbeit hat sie gemerkt, wie begünstigt ihr Umgang mit der Menstruation bisher war. Sie erinnert sich, wie ihre Mutter mit ihr in den Supermarkt ging und sie sich verschiedene Binden aussuchte. „Dass ich verschiedene Modelle kaufen und ausprobieren konnte – das ist ein Privileg.“

In konservativen Haushalten und bei der älteren Generation sei Menstruation ein Tabuthema. „Der Verkäufer in kleineren Läden packt dir die Binden in eine schwarze Tüte, damit niemand sieht, was darin ist.“

Entsprechend schwer sei das Gespräch. Selbstgemachte Binden funktionierten nicht, wenn sie zum Trocknen auf eine Leine gehängt werden müssen und die Nachbarschaft sie sehen würde. Und: „Ich kann nicht einfach Freiwillige schicken, die dann mit Frauen über ihre Periode sprechen. Für so etwas braucht es einen geschützten Raum, Freun­din­nen und Komfort.“ Dafür hätten die Frauen im Libanon gerade keinen Kopf. Sie kämpfen mit Kinderbetreuung, Haushalt, Arbeitsstelle und der Frage, wie sie im nächsten Monat das Essen bezahlen sollen.

Auf lange Sicht möchte Masri mit „Dawrati“ Gespräche für Frauen organisieren, damit sie geschützt miteinander sprechen können. Sie plant, Periodenunterwäsche im Libanon zu produzieren. Doch das Material muss importiert werden und ist teuer. „Es gab einen Aufruhr, als die Regierung beschloss, Rasierer zu subventionieren, aber nicht Periodenartikel.“

Eines hat Masri schon geschafft: Sie hat das Tabu bei vielen Männern um die Monatsblutung brechen können. „Ich kenne Männer, die mich anrufen, wenn sie im Supermarkt stehen, und fragen, welche Marke oder Bindenform sie kaufen sollen. Und auch die Sicherheitsleute unseres Gebäudes bringen mir die Spenden, die am Gebäudeeingang abgegeben werden.“ Ab und an helfen auch ihre beiden Töchter, um die Menstruations-Kits zu packen. „Sie wissen noch nicht, was die Periode ist, aber sie sollen lernen, dass Frauengesundheit nicht nur die körperliche, sondern auch die mentale Gesundheit betrifft“, sagt Line Tabet Masri.

Julia Neumann, Beirut