Der Beweis, dass man was aus sich machen kann

Schwitzen statt Schlagen, Klimmzüge statt Drogen: Mit dem Ziel, Heranwachsende in schwierigen Nachbarschaften vorm Abrutschen zu bewahren, tritt das Jugendhilfeprojekt Hood-Training an: Das von Jugendlichen selbst initiierte Bremer Modell ist vielfach ausgezeichnet und wird von Berlin und München kopiert

Beats schallen über das Freigelände am Lüssumer Ring: Vielleicht 20 Mädchen und Jungen klettern an den Reckstangen, hangeln, probieren Klimmzüge, laufen um die Wette. Im vergangenen September war die Hood-Anlage dort eröffnet worden – ein Platz mit weichem Kunststoffbelag und neuen Sportgeräten.

„Kommt, wir fangen gemeinsam an“, ruft Stefan Kavarov mit Power in der Stimme – und mit Erfolg. Alle kommen zusammen, im Kreis lassen sie Kopf und Arme kreisen, schütteln die Beine aus, beugen den Oberkörper, legen kurze Spurts hin. Aufwärmen ist angesagt.

Stefan Kavarov, 21, engagiert sich als Leiter beim Hood-Training, einem mehrfach ausgezeichneten Projekt, das Kinder und Jugendliche mit Sport, Bildung, Kunst und Kultur unterstützt. Hier in seiner „Hood“, seinem Kiez, kennt er jede Straße und die meisten Kinder. „Ich bin im Hochhaus neben der Hood-Anlage aufgewachsen, bin vor acht Jahren mit meinen Eltern aus Bulgarien nach Lüssum gekommen“, erzählt der Modedesign-Student.

Trainer, Vorbild, großer Bruder

In Lüssum leben 13.000 Menschen aus 41 Ländern. Ein „Ankunftsquartier“, wie Quartiersmanagerin Heike Binne sagt. Die meisten Geflüchteten, die Bremen aufnimmt, kriegen hier ihre erste Wohnung. „Integrationsarbeit ist unsere wichtigste Aufgabe“, betont Binne. Dabei hilft das Hood-Training: Sport, der mit niedriger Corona-Inzidenz in Lüssum verlässlich an drei Abenden in der Woche angeboten wird, ohne Mitgliedschaft, kostenlos. Einfach hingehen, mitmachen.

Er wolle Vorbild sein, so etwas wie ein großer Bruder, sagt Kavarov, der tatsächlich viel mehr ist als nur ein Trainer: „Wenn die Kinder Probleme haben, bin ich für sie da“, sagt er. Das klappt, der Zulauf ist riesig. Ja, Stefan sei ein echtes Vorbild, „weil er sein Leben auf die Reihe kriegt“, sagt Daniel Magel, Initiator des Hood-Trainings. Als Zwölfjähriger ist Magel mit seinen Eltern aus Kasachstan nach Deutschland gekommen, hatte eigentlich „Gold auf der Straße“ erwartet. „Alles fresh – so habe ich mir das hier vorgestellt“, erinnert sich der heute 38-Jährige. Es kam anders: Tatsächlich landete er in einem Quartier in Bremen, in dem damals Drogen, Gewalt und Kriminalität zum Alltag gehörten. „Das war ein echter Absturz“, blickt er zurück. Aber es blieb nicht dabei.

Eine Clique gründet selbstbestimmt ihr Projekt

Magel und seine Clique gründeten eine Initiative, die beweisen wollte, dass es in der Hood auch engagierte Jugendliche gibt, die Zeit und Lust haben, etwas auf die Beine zu stellen. „Der Sport“, ist er überzeugt, „hat mir den Arsch gerettet.“ Klimmzüge, Liegestütz, Handstand, Aufschwünge und Barrenstütz statt Mist bauen. Hood-Training wolle die Kids von der Straße holen, auch weg von den Smartphones, vom Zocken vor dem Computer, beschreibt Magel.

Mit ihm hat das Projekt nach gut zehn Jahren mittlerweile in vielen Bremer Stadtteilen, im niedersächsischen Umland und sogar in Berlin und München Fuß gefasst. Das Hood-Training vermittele Werte wie Solidarität, Kameradschaft, Verlässlichkeit, meint Joachim Barloschky, der in den Anfängen des Jugendhilfeprojektes Quartiersmanager in Tenever war und ein Weggefährte für Magel blieb. „Daniel ist nah an den Jugendlichen dran, er spricht ihre Sprache und zeigt, wo es langgeht: Pass auf dich auf, denk an deinen Körper – und setze ihn fair ein. (epd/taz)