Umstrittenes Projekt Nord Stream 2: Polen vereint gegen die Pipeline

Nord Stream 2 ist eine Bombe, sagt Hanna Gill-Piątek. Die polnische Aktivistin und Parlamentarierin appelliert dazu, sie gemeinsam zu entschärfen.

Ein Facharbeiter bereitet ein Rohrstück für die Gasleitung Nord Stream 2 vor

Nord Stream 2: Rohrstück für Rohrstück bahnt sich die Gas-Pipeline den Weg durch die Ostsee Foto: Stine Jacobsen/reuters

Es ist offensichtlich für jeden in Polen, dass wir uns auf eine gemeinsame Position von weit links bis ganz rechts einigen können. Deshalb der Appell an die Bundesregierung und die demokratischen Parteien in Deutschland, ein Moratorium für Nord Stream 2 abzuhalten. Wenn die Pipeline erst einmal fertig ist, wird sie zahlreiche Probleme in Europa mit sich bringen. Erstens unterminiert die Pipeline die Versorgungssicherheit und den Wettbewerb auf unserem Gasmarkt.

Angesichts der Tatsache, dass die EU 2020 insgesamt 326 Milliarden Kubikmeter Erdgas importierte, könnten die beiden Nord-Stream-Leitungen mit ihrer Kapazität von 100 Milliarden Kubikmeter nahezu ein Drittel des europäischen Gasimports abdecken. Die kombinierte Kapazität der beiden Pipelines würde Russland zum unangefochtenen König des europäischen Gases mit enormem Einfluss auf unseren Gasmarkt machen.

Zweitens widerspricht die Verdoppelung der Kapazität von Nord Stream unseren Klimazielen und verzögert die Energiewende. Mit Blick auf die Ziele zur Reduktion von Treibhausgasen bis 2030 und Klimaneutralität bis 2050 sollte Erdgas nur für den Übergang als Energiequelle genutzt werden.

Die Errichtung solch enormer Kapazitäten für den Gasimport nährt nicht nur eine fossile Energielobby, die den grünen Umstieg untergraben könnte – insbesondere in Ländern wie Polen, wo das Thema eher zurückhaltend betrachtet wird –, sondern sie könnte auch Anreiz für neue Gaskraftwerke an Standorten sein, wo stattdessen erneuerbare Energien durchaus erfolgreich eingesetzt werden könnten.

Drittens erzeugt Nord Stream 2 Sicherheitsrisiken für unseren wichtigen Nachbarn Ukraine und für die gesamte EU. Die Energieunion mit ihrem Ziel der Energiesicherheit wurde nachdem zwei Konflikten zwischen der Ukraine und Russland geschmiedet, die Millionen Europäer in den Wintermonaten von 2006 und 2009 ohne Heizung zurückließ. Wir sollten nicht vergessen, was für einige eine wirtschaftliche Angelegenheit ist, bedeutet für andere ein ernstes Sicherheitsrisko.

Die polnische Politik ist sehr gespalten – Energie- und Klimapolitik bildet hier keine Ausnahme. Trotzdem herrscht im Parlament in der Frage von Nord Stream 2 Einvernehmen. Derzeit arbeiten wir an einer Resolution, die eine gute Chance hat, einstimmig angenommen zu werden. Allen ist klar: Nord Stream 2 ist eine mächtige Bombe, die die europäische Solidarität sprengen kann. Lasst sie uns gemeinsam entschärfen, bevor es zu spät ist.

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1974 in Łódź geboren, ist Malerin, Journalistin, Aktivistin für LGBT- und Frauenrechte. Sie ist Abgeordnete und Vorsitzende des neuen polnischen Parlamentskreises 2050, den sie im Februar selbst mit ins Leben rief.

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