Langsames Erwachen aus dem Tiefschlaf

Spielgeld (I) Durch Corona haben Sportvereine viele Mitglieder ver-loren – vor allem in den Städten und vor allem unter Kindern und Jugendlichen. Insolvenzen hat es im Norden allerdings dank staatlicher Finanzspritzen nicht gegeben

Von Hagen Gersie

Zu wenig Bewegung tötet. Die Weltgesundheitsorganisation vermutet, dass sich weltweit jährlich fünf Millionen Todesfälle verhindern ließen, wenn sich die Menschen mehr bewegten. Während der Pandemie habe die Tendenz, sich zu wenig zu bewegen, besonders bei Kindern und Jugendlichen zugenommen. Thomas Niggemann, Geschäftsführer Breitensport beim Landessportverband Schleswig-Holstein, bestätigt: „Der Bewegungsmangel bei Kindern ist ein großes Problem.“

Zudem hat der coronabedingte Stopp aller sportlichen Aktivitäten viele Vereine an den Rand des finanziellen Kollaps gedrängt: Allein in Schleswig-Holstein, Hamburg, Niedersachsen und Bremen haben sie zwischen vier und sieben Prozent ihrer Mitglieder verloren. Das betrifft vor allem städtische und große Vereine, die laut Landessportbund Niedersachsen wohl eher als Dienstleister wahrgenommen würden.

Der Osnabrücker SC zum Beispiel, größter Verein der Stadt, habe in den letzten 15 Monaten knapp 1.500 Mitglieder verloren, sagte SC-Geschäftsführer Thomas Witte dem NDR. Das habe dem Verein einen sechsstelligen Verlust eingebracht.

Dass kleinere und ländlichere Vereine weniger Mitglieder verlören, liege an alten Vereinskons­trukten, vermutet Bernard Kössler, stellvertretender Vorstandsvorsitzender des Hamburger Sportbundes. Menschen in ländlichen Raum träten den Vereinen oft nicht nur wegen der Sportangebote bei, sondern auch wegen der sozialen Aktivitäten.

Unter denen, die – ob in der Stadt oder auf dem Land – austreten, sind vor allem Kinder und Jugendliche. In Schleswig-Holstein zum Beispiel bis zu 20 Prozent, sagt Thomas Niggemann. Diesen Mitgliederschwund zu bekämpfen, ist auch im Norden vor allem Sache der Vereine. Doch um zunächst deren Insolvenz zu verhindern, helfen die Landesregierungen aus: Schleswig Holstein habe 2020 und 2021 in zwei Hilfspaketen 12,5 Millionen Euro gezahlt, sagt Niggemann, Hamburg in drei Nothilfefonds knapp fünf Millionen Euro. In Bremen könnten Vereine für das Jahr 2021 bis zu 50.000 Euro coronabedingte Einnahmeausfälle erstattet bekommen. Niedersachsen stelle für coronabedingte Zahlungsengpässe bis zu sieben Millionen Euro zur Verfügung, von denen noch rund drei Millionen Euro vorhanden seien.

Coronabedingte Vereins-insolvenzen hat es in den Nordländern nicht gegeben

Coronabedingte Vereins-Insolvenzen habe es daher in diesen vier Nordländern bislang nicht gegeben, sagt Niggemann. Doch die Austritte seien „schmerzlich, vor allem für die Gesellschaft“, sagt Andreas Vroom, Vorsitzender des Bremer Landessportbundes. Und obwohl Sport seit Kurzem wieder relativ frei angeboten werden könne, müssten die Mitglieder erst wieder zurückgewonnen werden.

Um das Interesse an Sportangeboten anzukurbeln, wolle die Stadt Hamburg daher Sportgutscheine ausgeben, die Menschen in Vereinen einlösen könnten, sagt Bernard Kössler vom Hamburger Sportbund. In Niedersachsen rufen Landessportbund und Innenninister Boris Pistorius am 17. Juli zum „#sportVEREINtuns-Sommer“ auf. Der LSV Schleswig-Holstein möchte Kooperationen von Vereinen und Schulen stärken und erhöht dafür die Zuwendungen in dem Bereich, erklärt Niggemann.

Insgesamt sind die Landessportbünde, auch angespornt durch diese Maßnahmen, optimistisch: Das Interesse an Sport und Bewegung sei groß, und sobald es coronabedingt möglich sei, kämen auch die Mitglieder zurück.