Berlins Kultursenator über Restitution: „Diese Stücke sind geklaut“

In der Debatte über Raubkunst in Museen muss der Druck aufrechterhalten werden, fordert Klaus Lederer (Linke) bei der Bilanz seiner Amtszeit.

Klaus Lederer in nachdenklicher Pose

Klaus Lederer im Berliner Abgeordnetenhaus Foto: dpa

BERLIN taz | Kultursenator Klaus Lederer (Linke) fordert in der Debatte über koloniale Raubkunst in Museen eine umfassende Rückgabe der Objekte. „Diese Stücke sind geklaut, sie gehören uns nicht“, erklärte Lederer am Freitag vor Journalisten. Eine Ausstellung solcher Objekte, deren berühmteste aktuell die Benin-Bronzen sind, könne höchstens als Leihgabe erfolgen. Lederer kritisierte zudem die Museen, die teilweise nicht wüssten, welche Exponate in ihren Depots liegen. „Das ist ein Trauerspiel.“ Das gesamte Inventar müsste endlich erfasst und zudem digitalisiert werden.

Mitte Juli soll das vom Bundestag finanzierte Humboldt Forum auf dem Schlossplatz eröffnet werden. Die Planungen für die Ausstellungen im Retroschloss waren von Anfang an überschattet von der Kontroverse um den Umgang mit Raubkunst aus einstigen Kolonien europäischer Länder, die in vielen Sammlungen Berliner Museen zu finden ist.

Zuletzt habe sich die Debatte in Deutschland dahin bewegt, sich dieser Verantwortung zu stellen, so Lederer. Allerdings müsse der Druck aufrechterhalten werden, sonst drohe die Diskussion wieder in Vergessenheit zu geraten, so Lederer. Der Kultursenator zog am Freitag eine Bilanz seiner Amtszeit; am 26. September wird in Berlin gewählt. Lederer ist auch Spitzenkandidat der Linken. Die Restitutionsdebatte hat ihn die gesamte Legislatur begleitet.

Seine Amtszeit sei zweigeteilt gewesen, sagte Lederer: In eine Phase vor dem 11. März 2020 und eine danach. An jenem Tag hatte der Senator die Kultureinrichtungen „gebeten“, wegen der Coronapandemie zu schließen. „Dieser Tag war der schwärzeste Tag meiner Amtszeit“, so Lederer im Rückblick.

Klaus Lederer, Linke

„Es ist viel einfacher, Kultureinrichtungen zu schließen, als sie sukzessive wieder zu öffnen“

In der Zeit danach sein ihm verstärkt deutlich geworden, wie fragil und anfällig Kultur auf äußere Einflüsse sei. Er habe deswegen versucht, mit Millionenhilfen und Sonderprogrammen die Berliner Kulturlandschaft vor dem Verschwinden zu bewahren, unter anderem mit der Soforthilfe II für rund 200.000 Soloselbstständige, darunter viele Kulturschaffende, und sie für die Zukunft mit und nach Corona fit zu machen, etwa mit 20 Mil­lio­nen Euro Hilfen für neue Lüftungsanlagen.

Allerdings sei es „viel einfacher, Kultureinrichtungen zu schließen, als sie sukzessive wieder zu öffnen“, zumal für manche Bereiche wie Clubs bisher keine vollen Öffnungsperspektiven erkennbar seien. Lederer geht davon aus, dass auch über dieses Jahr hinaus finanzielle Unterstützung notwendig sein wird und zudem Anschubfinanzierung für private Einrichtungen und Häuser. Zugleich machte er Hoffnung für die nächsten Wochen und Monate: „Das wird ein Kultursommer, wie ihn Berlin noch nicht gesehen hat.“

Museen Es ist ein Projekt mit hohem Symbolwert: An mindestens einem Tag im Monat sollten, so die Pläne der Kulturverwaltung, alle Museen in Berlin – egal ob privat, landes- oder bundeseigen – kostenlos für Besucher*innen sein. Im Juli soll es damit losgehen: Ab dem 4. Juli ist an jedem ersten Sonntag der Eintritt frei, kündigte Kulturstaatssekretär Torsten Wöhlert an.

Theater Um Kindern Kultur zu ermöglichen, seien zudem die Etats der entsprechenden Theater deutlich erhöht worden. Ziel war es, so Wöhlert, in Kiezen, wo es wenige Angebote gab oder die Nachfrage gering war, mit zusätzlichen Mitteln einen Theaterbesuch zu ermöglichen. Wegen Corona sei diese Förderung vorübergehend ausgesetzt worden. (bis)

Aufarbeitung an der Volksbühne

Eine weiteres Dauerthema der letzten viereinhalb Jahre sei der Machtmissbrauch in Kultureinrichtungen gewesen, etwa in der Gedenkstätte Hohenschönhausen oder zuletzt die Missbrauchsvorwürfe an der Volksbühne, die nach Aufdeckung durch die taz zum Rücktritt des Intendanten Klaus Dörr geführt hatten. Er sei überrascht gewesen, „angesichts der Vielzahl der Baustellen“, so Lederer. Er erneuerte deswegen seine Ermunterung an Betroffene, „raus aus der Deckung zu kommen“.

An der Volksbühne sei es nach dem Bekanntwerden der Vorwürfe Mitte März unter Hilfe zweier Me­dia­to­r*in­nen zu einem Aufarbeitungsprozess gekommen, der „nicht einfach und nicht schmerzfrei“ gewesen sei.

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