Vatikan gegen Antidiskriminierungsgesetz: Der Anti-Anti-Papst

Ein neues Gesetz gegen homo- und transfeindliche Hassrede in Italien? Nicht mit dem Papst. Der greift doch glatt in die laufende Gesetzgebung ein.

Alessandro Zan streicht eine Bank im Freien in Regenbogenfarben. Zan ist ein Mann mittleren Alters mit kurzen dunklen Haaren und Bart. Er trägt eine Maske

Bei der Arbeit: der linksdemokratische Abgeordnete Alessandro Zan, der das Gesetz geschrieben hat Foto: Luca Bruno/ap

Eigentlich sollte der Dienstag ein wunderschöner Tag für Italiens Ministerpräsident Mario Draghi werden. Schließlich war EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen nach Rom gereist, um das grüne Licht der Union für Italiens Wiederaufbauplan in Höhe von 191 Milliarden Euro zu verkünden.

Doch stahlen andere Draghi und von der Leyen die Schau: die Prälaten des Vatikans. Sie stellten am selben Tag die Ampel für Italiens Regierung auf Rot, weil sie erbost sind über das neue Antidiskriminierungsgesetz, das gerade im Senat verhandelt wird. Zumindest einen Erfolg errang der Vatikan sofort: Am Mittwoch beschäftigten sich alle Zeitungen oft seitenlang mit der Attacke der Kurie.

Die reichte – das hat es noch nie gegeben – formalen Protest bei der Regierung ein, eine „Verbalnote“ ans Außenministerium. Angeblich sei das Konkordat zwischen Italien und dem Heiligen Stuhl verletzt, dessen letzte Version von 1984 stammt. Dort, so die Protestnote, sei die Freiheit der Kirche in ihrer Verkündigung ebenso geschützt wie die Lehrfreiheit an den katholischen Schulen des Landes.

Diese Freiheit sei nun durch das gerade im Parlament beratene Gesetz in Gefahr. Es sieht vor, jene strafverschärfenden Normen, die bisher bei Hasstiraden oder gewalttätigen Angriffen aus religiösen oder auch ethnischen Motiven greifen, auch auf verbale oder physische Angriffe auf Schwule, Lesben, Transsexuelle und Menschen mit Behinderung auszudehnen. Zudem soll mit dem Gesetzesvorschlag der 17. Mai zum Festtag gegen die Homo- und Transphobie erhoben werden, der auch an den Schulen begangen werden soll.

Die Franziskus-Ruhe ist vorbei

Dass das dem traditionellen Flügel der katholischen Kirche nicht schmeckt, liegt auf der Hand. Trotzdem rieben sich viele in Italien angesichts des offiziellen Vatikanprotests die Augen. Einen solchen, nie da gewesenen Schritt hätten sie nicht erwartet, nicht unter Papst Franziskus. Hatte der nicht bis dahin ungekannt versöhnliche Töne gegenüber Homosexuellen angeschlagen? Hatte er nicht explizit verkündet, auch sie hätten „das Recht, in einer Familie zu leben“, und wegen seiner sexuellen Orientierung dürfe niemand aus der Kirche „hinausgeworfen oder unglücklich gemacht werden“?

In der Tat schienen gerade in Italien neue Zeiten eingekehrt, mit einer Kirche, die auf die alte Militanz gegen unliebsame Reformen verzichtete. In den Jahren 1974 und 1981 hatte sie Referenden gegen die Einführung der Ehescheidung und die Liberalisierung der Abtreibung angestrengt (die sie krachend verlor). Und noch 2007 hatte der Klerus auch mit Massendemonstrationen zum Beispiel gegen das damals geplante Gesetz für eingetragene Lebenspartnerschaften getrommelt, hatte den es verfechtenden Po­li­ti­ke­r*in­nen Höllenstrafen angedroht, mit Erfolg: Das Gesetz kam erst 2016.

Hat der Papst es angeordnet, um radikalere Stimmen zu bremsen?

Doch seit Franziskus am Ruder war, herrschte erst mal Ruhe. Die italienische Bischofskonferenz verzichtete darauf, mit lauten Tönen Einfluss ausüben zu wollen. Jetzt ist es gleich der Vatikan selbst, der in ein laufendes italienisches Gesetzgebungsverfahren eingreift, mit dem Antrag an die Regierung, sie solle gefälligst für eine „Modulierung“ des Gesetzentwurfs im Sinne der Kirche sorgen – auch wenn die Regierung keine Weisungsvollmacht gegenüber dem Parlament hat.

Dennoch befindet die Zeitung Il Fatto Quotidiano, angesichts dieser Grätsche „mit gestrecktem Bein“ sei das Antidiskriminierungsgesetz „klinisch tot“: Auch in der gemäßigt linken Partito Democratico und bei den Fünf Sternen dürften jetzt die Bauchschmerzen zu groß werden.

Oder ist es doch anders? Die Tageszeitung La Repubblica vermutet, der Papst habe die Verbalnote angeordnet, um die heikle Frage zur Chefsache zu machen und radikalere Stimmen in der Kirche zu bremsen, Bischöfe zum Beispiel, die italienischen Po­li­ti­ke­r*in­nen bei Zustimmung zu dem Gesetz mit der Exkommunizierung drohen könnten.

Am Ende werde der Gesetzentwurf im Parlament „zum Totem“ werden und noch mehr Zustimmung als bisher erhalten, spekuliert La Repubblica. Am Ende, so hofft die Zeitung, werde die Protestnote des Vatikans nicht für „effektive Einmischung“, sondern für „effektive Impotenz“ stehen.

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