Andreas Speit
Der rechte Rand
: Warum bei der AfD Niedersachsen alte Konflikte aufbrechen

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Die AfD Niedersachen möchte mögliche Bundestagsmandate nicht riskieren. Der Landesverband um Jens Kestner kommt in Hildesheim zusammen, um erneut die Kan­di­da­t:in­nen zur Bundestagswahl zu wählen. Im Dezember vergangenen Jahres fand schon einmal eine Wahl statt. Doch Landeswahlleiterin Ulrike Sachs als auch ein parteiinterner Rechtsexperte hatten wegen Fehlern bei der Einladung zu Neuwahlen geraten. Am 3. Juli soll nun ein Landesmitgliedertreffen die Bundestagsliste bestimmen – Konflikte dürften sich wiederholen.

Seit der Gründung des Landesverbandes 2013 halten Kämpfe um Macht und Einfluss an. Alte Vorhaltungen brechen immer wieder auf, neue Streitereien kommen hinzu. Neuester Streit, der in der Partei große Sorgen verursacht: die vermeintliche Reaktivierung des vom Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) als rechtsextremistisch eingestuften „Flügels“ im Bundesland. In einem offenen Brief haben mehr als 20 Kreisverbände von Kestner gefordert, sich eindeutig von der Wiederbelebung des parteiinternen „Flügels“ zu distanzieren.

Am 20. Februar soll in Verden ein mehrstündiges Treffen im Beisein des Bundestagsabgeordneten Armin-Paul Hampel und des Landtagsabgeordneten Stephan Bothe stattgefunden haben, bei dem man sich verbindlich über eine klandestine Parallelstruktur ausgetauscht habe. Im Brief wird Kestner aufgefordert, unverzüglich zu überprüfen, wer beteiligt war. Alle Beteiligten sollten ihre Ämter und Mandate niederlegen, schreibt Dirk Brandes. Der Vorsitzender des Kreisverbandes Hannover hatte den Brief initiiert. Ein Parteiausschlussverfahren gegen Bothe, der auch stellvertretender Landeschef ist, ist bereits eingeleitet worden.

Tonaufnahmen von dem Treffen in Verden, die ein Parteimitglied aufgenommen und dem NDR und WDR zugespielt hat, legen nahe, dass ein parteiinterner „Flügel“ gegründet wurde. Die Fernsehsender zitieren aus dem Tondokument einen Teilnehmer, der – „nachdem die Veranstaltung mehr als ein Dutzend sogenannte Regionalkoordinatoren“ ernannt hatte – gesagt haben soll: „Ich beglückwünsche uns dazu, dass wir die alten Flügel-Strukturen wieder reaktiviert haben.“ Diese Strukturen gingen „zu 100 Prozent“ an den AfD-Kreisverbänden­ „vorbei“ und sie müssten „konspirativ“ sein. Die „gewählten Vertreter des patriotischen Lagers“ sollen über diese neuen Strukturen „Mehrheiten“ gewinnen. „Wir nennen es natürlich nicht so, wie es früher hieß, wir nennen­ das dann irgendwie anders“, so WDR und NDR. Auf Anfrage sagte er den Sendern, das Treffen sei ein „Motivationstreffen der Basis“ gewesen, lediglich eine Person habe die Auflösung des „Flügels“ bedauert.

Andreas Speitarbeitet als freier Journalist und Autor über die rechte Szene nicht nur in Norddeutschland.

In Teilen des Landesverbands herrscht jetzt Angst, offiziell jenseits des Grundgesetzes verortet zu werden. Konkret dürfte auch befürchtet werden, dass die moderaten Bundestagskandidaten nicht erneut die nötigen Mehrheiten für das Mandat erhalten könnten.