Im Saal wäre schöner

Von den Schwierigkeiten, in Coronazeiten belastbar zu planen: In Niedersachsen und Bremen finden in diesen Tagen die jährlichen Schulkinowochen statt – komplett online. Das hat sogar einige Vorteile für die Beteiligten

Im nieder­sächsischen Kinowochenprogramm: John David Washington und Laura Harrier in Spike Lees Spielfilm „BlacKkKlansman“ Foto: Universal

Von Wilfried Hippen

Schlechtes Timing: Im Frühjahr entschieden die Verantwortlichen, die „Schulkinowochen“ in Niedersachsen und Bremen zu verschieben bis in den Juni – in der Hoffnung, dass bis dahin die Kinos wieder geöffnet sein würden. Um ein paar Wochen lagen sie damit daneben: Im Juli wären echte Schulvorstellungen vor Ort im Kino absehbar wieder möglich. Zudem ist allerorten gerade erst wieder auf Präsenzunterricht umgestellt worden – da haben Schü­le­r*in­nen und Leh­re­r*in­nen zurzeit andere Prioritäten.

Ein Paradebeispiel für die Unplanbarkeit in Coronazeiten. Im November 2020, als über die ursprüngliche Terminierung der Schulkinowochen entschieden wurde, war der Unterschied zwischen Juni und Juli nicht abzusehen. Noch im April 2021 ging man davon aus, zumindest einige Filme in Kinos zu zeigen – um dann in Absprache mit den Ki­no­be­trei­be­r*in­nen umzusteuern: Nun finden die Schulkinowochen in Bremen und Niedersachsen komplett online statt.

Hinter dem bundesweiten Projekt steht seit Herbst 2006 „Vision Kino“ mit Sitz in Berlin. Diesem „Netzwerk für Film und Medienkompetenz“ ist es ein Anliegen, dass die Schulkinowochen im Kino stattfinden, das Kindern und Jugendlichen als Kultur- und Bildungsort nahegebracht werden soll. Auch für die bundesweit rund 800 beteiligten Kinos ist es eine wichtige Aktion: Ähnlich wie bei den Weihnachtsmärchen der Stadttheater waren hier zusätzliche Einnahmen durch Vorstellungen am Morgen und am Nachmittag garantiert.

Bei den alljährlichen Verhandlungen beklagten sich zwar die Ki­no­be­trei­be­r*in­nen regelmäßig darüber, dass vier Euro Eintritt kaum die Kosten deckten, aber die Be­su­che­r*in­nen­zah­len verdeutlichen, wie wichtig diese zusätzlichen Einnahmen trotzdem sind: Knapp 100.000 Tickets wurden 2019 – noch unter Vor-Corona-Bedingungen – in rund 100 Kinos in Niedersachsen abgesetzt; in Bremen saßen mehr als 18.000 Be­su­che­r*in­nen in 162 Vorstellungen.

Für 2021 gibt es bis jetzt rund 11.000 Anmeldungen in Niedersachsen und 2.500 in Bremen.Mit diesen Zahlen sind die Projektleiter Jörg Witte in Niedersachsen und Matthias Wallraven in Bremen sogar zufrieden: Beide wissen, dass sie nur ein Notprogramm anbieten können. „Damit die Schulkinowochen nicht in Vergessenheit geraten“ sagt Witte.

Denn für die Onlineausgabe musste das Filmangebot geändert und eingeschrumpft werden. Statt der geplanten 47 Filme sind etwa in Bremen nun nur 31 vorgesehen, von denen wiederum nur 11 auch im ursprünglichen Programm standen. Hier können teilnehmende Schü­le­r*in­nen alle Filme kostenlos ansehen, in Niedersachsen dagegen sind einige Onlinevorführungen kostenpflichtig: Dort sind die Medienzentren der Landkreise dafür verantwortlich, welche Lizenzen eingekauft wurden, und eine Schule gilt als Abspielort.

Ein durchaus kompliziertes Verfahren, in das Jörg Witte und sein Team sich erst einmal einarbeiten mussten. Auch sonst hatten sie in diesem Jahr mehr zu tun als in Vor-Corona-Zeiten: Bis Mitte April mussten sie im Grunde parallel zwei Schulkinowochen organisieren – eine mit der Möglichkeit von Kinovorstellungen, eine ohne.

In Bremen können Schü­le­r*in­nen alle Filme kostenlos ansehen, in Niedersachsen nur manche

Wichtig sind die Fortbildungen für Lehrer*innen, die nun per Videokonferenzen veranstaltet wurden: Etwa 20 Lehrkräfte haben in Bremen an einem Kurs über die Zeichentrickfilme von Hayao Miyazaki teilgenommen, ferner gab es Seminare zu Antisemitismus oder Suchtprävention. Für Matthias Wallraven waren die virtuellen Schulstunden für Leh­re­r*in­nen aber so erfolgreich, dass er sie in den kommenden Jahren fortführen will: Eine Reise von Bremerhaven nach Bremen ist ja auch aufwendig.

Traditionell sind die Ki­no­be­trei­be­r*in­nen dem Online-Strea­ming gegenüber skeptisch. Immerhin wurde aber sowohl in Niedersachsen als auch in Bremen ein kurzer Videoclip mit Grußadressen vieler regionaler Kinos produziert, der vor den Filmen gezeigt werden kann. Vorproduziert wurden zudem Filmeinführungen und Gespräche mit Filmemacher*innen, sowie – in Bremen – ein etwa 60 Minuten langer Vortrag des Filmkomponisten André Feldhaus: Dessen Workshops über Filmmusik gehören dort seit Jahren dazu.

In Niedersachsen hat das Online-Ersatzprogramm am 31. Mai begonnen und geht noch bis zum 25. Juni. In Bremen finden die Schulkinowochen vom 14. bis 25. Juni statt. Die Bandbreite reicht vom Kinderfilm „Der Fall Mäuserich“ für Erst- und Zweitklässler:innen bis zur Dokumentation „Spuren – die Opfer der NSU“ ab Klasse 11. In Niedersachsen gibt es einen Programmschwerpunkt „Rassismus, Polizeigewalt und Schwarzes Leben im US-Kinofilm“, einige dieser Filme – etwa Raoul Pecks Dokumentation „I Am Not Your Negro“ – zeigen aber auch die Bremer*innen.

Einen Vorteil übrigens hat die Onlinevariante: Es gibt keine letzten Fristen bei der Anmeldung. So können sich Leh­rer*in­nen auch kurzfristig entscheiden, ob sie etwa einen der Filme als Hausarbeit aufgeben. Aber das wäre dann schon wieder das Gegenteil von Kino.

www.schulkinowochen-bremen.de

www.schulkinowochen-nds.de