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: Ein Preis für Erica Zingher

Im November 2019 schrieb ich Erica Zingher eine Mail. Wir arbeiteten beide für die taz, ich mochte ihre Texte und die Themen, die sie sich aussuchte, wir kannten uns aber noch nicht persönlich. Ich schrieb: „Wollen wir mal über jüdische Kontingentflüchtlinge und ihr Leben in Deutschland sprechen? Mich treibt das um, dich, glaube ich, auch. Vielleicht möchtest du dazu was schreiben?“ Wir trafen uns im Laufe der nächsten Monate immer wieder in der taz-Kantine und sprachen über uns, die wir beide als Kleinkinder eingewandert sind. Erica erzählte von ihrer Familie, ihrem Aufwachsen, den Sommern in Moldawien und von ihrem Verhältnis zu Deutschland. Sie erzählte auch von ihren Zweifeln – wollte sie wirklich über etwas so Persönliches wie die Migrationserfahrung ihrer Familie schreiben?

Ein Jahr später, am 21. November 2020, erschien Ericas Text „Was wächst auf Beton?“. Er wurde wahnsinnig oft gelesen und geteilt, in den sozialen Netzwerken meldeten sich viele, die ebenfalls als jüdische Kontigentflüchtlinge aus der ehemaligen Sowjetunion eingewandert waren und sich in Ericas Worten wiederfanden. Daraufhin ließen wir den Text auch ins Russische übersetzen.

Am Montag wurde Erica Zingher für ihren starken und klugen Text mit dem Axel-Springer-Preis in der Kategorie Silber ausgezeichnet. „Wer den Text von Erica Zingher liest, erfährt viel über die beiden Welten, in denen sie groß geworden ist“, sagte Laudator Jonas Breng.

Wer den Text liest, lernt außerdem eine Autorin kennen, von der noch viel Tolles zu ­lesen und hören sein wird.

Viktora Morasch