heute in bremen
: „Bis auf das letzte Einmachglas“

Foto: C. Münch

Henning Bleyl 52, ist Geschäftsführer der Heinrich-Böll-Stiftung Bremen. In seiner Zeit als taz-Redakteur hatte er die Kampagne für das „Arisierungs“-Mahnmal initiiert.

Interview Lisa Bullerdiek

taz: Herr Bleyl, ist das Mahnmal am richtigen Ort?

Henning Bleyl: Die Entscheidung darüber steht im Juli an, in der Kulturdeputation, aufbauend auf den beiden Standortprüfungen an der Schlachte und am Tiefer. Danach dauert es vielleicht noch ein, zwei Jahre, bis gebaut wird.

Können Sie noch einmal vom Streit um das Mahnmal erzählen?

Es hat angefangen mit dem Firmenjubiläum von Kühne und Nagel auf dem Marktplatz 2015. Der Unternehmenserbe hat da komplett ausgelassen, dass die Firma in der NS-Zeit enorm expandiert ist. Auch auf Nachfrage wurde das einfach geleugnet. Kühne und Nagel wollte damals einen neuen Firmensitz auf öffentlichem Grund bauen und wir haben einfach mitgeboten, mit Crowdfunding-Geld. Dann begann der ganze Trubel um den Standort.

Aber Sie wollten nicht wirklich auf dem Grundstück von Kühne und Nagel ein Mahnmal errichten?

Nein, wir wollten Aufmerksamkeit für das Thema. Das Grundstück ging dann natürlich an Kühne und Nagel, aber das Mahnmal sollte trotzdem gebaut werden.

Was ist „Arisierung“?

Das ist ein Nazi-Begriff und eine Behauptung: Wenn man jüdischen Menschen ihr Eigentum wegnimmt, dann gebe man es eigentlich zurück ins „Volkseigentum“.

Wie hat Kühne und Nagel davon profitiert?

Das Unternehmen hatte sehr viel mit der Logistik der „Verwertung“ jüdischen Eigentums zu tun, also mit den „Arisierungs“-Gewinnen. Es hat in den besetzten Ländern Niederlassungen errichtet, über die der Abtransport jüdischen Eigentums abgewickelt wurde: Hunderte von Waggon- und Schiffsladungen mit kompletten Wohnungseinrichtungen.

Inwiefern zeigt die Architektur diese Geschichte?

Die Architektur des Mahnmals von Evin Oettingshausen zeigt erst mal die scheinbare Abwesenheit von Geschichte. Wer darüber läuft, sieht ein Loch mit Panzerglas über einem Schacht und unten ein bisschen Licht. Wenn man nach unten geht, kann man durch das zweite Fenster Schatten von Möbeln an der Wand sehen. Da war mal was. Man sieht die Leere, die Totalität der Verwertung. Bis auf das letzte Einmachglas. Diese gestohlenen Gegenstände existieren weiter als Erbmasse in deutschen Familien und fehlen als Erinnerungsanker in jüdischen.

Vortragsreihe Freie Kunst: Leerstellen und Geschichtslücken – das „Arisierungs“-Mahnmal, 18 Uhr, via Teams auf www.hfk-bremen.de