Stühlerücken bei Werder

Nur der Vorstand bleibt bei Werder Bremen nach dem Abstieg im Amt. Mit Markus Anfang ist schon ein neuer Trainer gefunden und der neue Aufsichtsrat kommt im Herbst

Den Wiederaufstieg im Blick: Werders neuer Trainer Markus Anfang Foto: Carmen Jaspersen/ dpa

Von Ralf Lorenzen

Es wurde Sonntag, Bremen war abgestiegen und die Sonne ging trotzdem wieder auf. Seitdem ist die Werder-Community gespalten: in jene, die immer noch jede Nacht aus einem Alptraum namens Zweiter Liga aufwachen, der sie demnächst zwingt, samstags um 13.30 Uhr im Stadion zu sein oder den Fernseher einzuschalten. Und jene, die sich auf eine „geile zweite Liga“ freuen, in der es reihenwiese zu Derbys gegen den FC St. Pauli, den HSV, Hannover 96 oder Hansa Rostock kommt.

Unterschiedlich hat auch die Klubführung auf den Abstieg reagiert. Während der Großteil des Aufsichtsrats um den Vorsitzenden Marco Bode im September nicht mehr zur Wiederwahl antreten will, bleibt die Geschäftsführung um den Vorstandsvorsitzenden Klaus Filbry und den Sportvorstand Frank Baumann im Amt.

Paradoxerweise rettet sie gerade die prekäre Lage, in die der Club unter ihrer Verantwortung gerutscht ist. Der wirtschaftliche und sportliche Umbau zu einem Zweitliga-Klub nach 40-jähriger Zugehörigkeit zur 1. Liga innerhalb weniger Wochen erfordert ein Management, das die Spielerverträge und Finanzdaten im Detail kennt und einordnen kann.

Ausgerechnet vor der ersten Geisterspielzeit 2019/2020 hatte Werder in den Kader investiert, um die europäischen Plätze in Angriff zu nehmen. Es folgten zwei Jahre Abstiegskampf und Corona-bedingte Einnahmeausfälle, sodass bereits der Zwischenkonzernabschluss Ende 2020 einen nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag von rund 30,6 Millionen Euro auswies.

Hoffen auf gute Angebote

Zur Sicherung der Liquidität nahm Werder mit Hilfe einer Landesbürgschaft einen Kredit in Höhe von 20 Millionen Euro auf und lieh sich über eine Mittelstandsanleihe weitere 17 Millionen bei privaten und institutionellen Anlegern. Im dafür nötigen Wertpapierprospekt hat der Club angekündigt, bis Ende Juni einen Transferüberschuss von 9,4 Millionen Euro zu erzielen.

Werder muss also hoffen, für Milot Rashica, Jiri Pavlenka, Ludwig Ausgustinsson, Marco Friedl, Josh Sargent und Maximilian Eggestein trotz Spar­zwanges bei fast allen Klubs lukrative Angebote zu erhalten. Immerhin war Baumann so weitsichtig, den Spielern für den Fall des Abstiegs eine Gehaltsreduzierung zwischen 40 und 60 Prozent in die Verträge zu schreiben, sodass er nicht gezwungen ist, Spieler weit unter Wert zu verkaufen.

Trotzdem wird es eine Mammutaufgabe für ihn und den neuen Trainer, in der kurzen Zeit bis zum Saisonstart um den verbleibenden Kern herum eine neue Mannschaft aufbauen, die in den durch Einnahmeausfälle um 40 Prozent verkleinerten Finanzrahmen passt und dennoch um den Aufstieg mitspielen kann. Umso wichtiger war es, dass Baumann mit Markus Anfang relativ zügig einen neuen Trainer präsentiert hat, der in Kiel, Köln und Darmstadt bereits gezeigt hat, dass er in der 2. Liga erfolgreich arbeiten kann.

Anfang fand Sonntagmittag bei seiner offiziellen Vorstellung in Bremen die richtigen Worte für die lädierte Fan-Seele und sprach davon, sich mit der Mannschaft und dem Umfeld zusammen aus der schwierigen Situation herauskämpfen zu wollen. Dabei würde er den kurzfristigen Erfolg, sprich dem sofortigen Wiederaufstieg, nicht ausschließen, verwies mit Blick auf den HSV aber darauf, dass man Geduld brauche: „Es wird ganz wichtig sein, dass Verein, Umfeld und Spieler bereit sind zu akzeptieren, dass man jetzt in der Zweiten Liga ist.“

Keine Zeit für Träume

Ob gerade das Umfeld dafür bereit ist, wird die für September geplante Neuwahl des Aufsichtsrats zeigen. Noch ist nicht klar, wofür genau die fast täglich neuen Kan­di­da­ten:­in­nen aus Medien, Politik, Wirtschaft und Beraterwelt stehen, die sich beim Wahlausschuss melden. Klar ist: Werder braucht keine Schaumschläger und Träume von alter Größe, sondern solide Vorstellungen, wie attraktiver, erfolgreicher Fußball auch unter global veränderten Wettbewerbsbedingungen möglich ist, ohne sich den Finanzmärkten noch weiter auszuliefern.