Schluss mit der 30-Prozent-Quote!

Dass Menschen mit Kindern keine größeren Wohnungen finden, liegt auch an selbstgeschaffenen Beschränkungen der städtischen Wohnungsgesellschaften

Von Eiken Bruhn

Knappen Wohnraum sozial verträglich zu verteilen – das haben sich alle Landesregierungen irgendwie auf die Fahnen geschrieben. An Ideen mangelt es nicht, allein an der Umsetzung. Dabei gibt es eine einfache Maßnahme, mit der einiges an Ungerechtigkeit beseitigen ließe. Sie kostet nichts, tut niemand weh und ist höchst effektiv.

Es geht um die sogenannte 30-Prozent-Regelung. Sowohl private als auch städtische Wohnbauunternehmen schreiben ihren potenziellen Mie­te­r*in­nen vor, dass ihre Miete nicht mehr als 30 Prozent des Netto-Einkommens betragen darf. Und das seit Jahrzehnten, obwohl die Mieten schneller und stärker steigen als die Gehälter.

Es ist ein gefühlter Wert, der außer acht lässt, dass 30 Prozent von 3.000 Euro etwas anderes sind als von 1.000 Euro und dass Menschen unterschiedliche Prioritäten setzen. Während die eine Person vom Einkommen ein Auto und ein bis zwei größere Urlaube finanzieren möchte, ist der anderen eine gute Lage der Wohnung wichtiger. Aber statt diese Entscheidung ihren Mie­te­r*in­nen zu überlassen, glaubt etwa die städtische Bremer Wohnungsbaugesellschaft Gewoba, besser beurteilen zu können, wie viel Geld jemand für Miete zur Verfügung hat.

„30 Prozent“, sagt die Mitarbeiterin des Gewoba-Kundenzentrums, „ein bisschen drüber geht auch, das gucken wir uns an.“ Kindergeld würde aber nicht mit eingerechnet, das zähle ja nicht zum Einkommen. Auf die Frage, wie sich Alleinerziehende mit mehr als einem Kind eine Wohnung leisten können sollen, in der nicht alle Kinder in einem Zimmer schlafen, hat sie auch eine Antwort. Man könne ja an den Stadtrand ziehen, da seien die Mieten billiger.

Mal sehen: In Kattenturm, was für Bremer Verhältnisse janz weit draußen ist, aber mit sechseinhalb Kilometern von der Innenstadt nicht völlig ab vom Schuss, gibt es eine 86-Quadratmeter-Wohnung mit vier Zimmern für 808 Euro warm. Das verlangt ein Nettoeinkommen von schlappen 2.693 Euro. Aber auch für 80 Quadratmeter auf vier Zimmern für 620 Euro und das 24 Kilometer von der City entfernt müssten schon 2.066 Euro verdient werden.

Menschen mit mehr als einem Kind

Das erwartet die Gewoba auch von Alleinerziehenden, die der Kinder wegen selten in Vollzeit arbeiten können. Dabei behauptet eine Unternehmenssprecherin, die Quote sei lediglich ein „sinnvoller Richtwert mit einem Abweichungsspielraum, der im persönlichen Gespräch ausgelotet wird“, wie sie in einer Mail schreibt. „Wenn die Interessenten glaubhaft darlegen können, dass sie mit dem verbleibenden Einkommen gut zurechtkommen, lassen wir auch 35, im Einzelfall auch bis zu 40 Prozent zu.“ Alles, ohne das Kindergeld mit einzubeziehen, versteht sich. Und davon, dass manche Menschen mehr als ein Kind haben, scheint man bei der Gewoba nichts gehört zu haben. Man biete für Alleinerziehende „kleine Drei-Zimmer-Wohnungen an, sodass nicht nur das Kind ein eigenes Zimmer hat, sondern auch die Mutter oder der Vater einen separaten Schlafraum“, teilt die Sprecherin mit.

Nur scheint die Bereitschaft zur großzügigen Auslegung davon abzuhängen, wie viele Miet­in­ter­es­sen­t*in­nen es gibt. „Da darf man nicht statisch und bürokratisch rangehen“, sagt Ralf Schumann, Sprecher für Bauen und Wohnen der Fraktion der Linken in der Bremischen Bürgerschaft. Er hat selbst Jahrzehnte für die Gewoba gearbeitet und war als Abteilungsleiter für die Gebiete West und Ost verantwortlich für 10.000 Wohnungen. „Wir haben alles zum Einkommen dazugerechnet, was nur irgendwie ging“, sagt er. Neben den berufstätigen Alleinerziehenden seien vor allem Rent­ne­r*in­nen benachteiligt. „Das sind Gruppen, die zwischen alle Stühle fallen“, sagt er. Ihr Problem sei, dass sie zwar ein Einkommen hätten, das aber zu niedrig sei, um die Quote zu erfüllen. Leichter hätten sie es, wenn sie nicht arbeiten würden. Dann würde der Staat für die Miete aufkommen.

Er findet das unsozial und fordert alle Ver­mie­te­r*in­nen dazu auf, von der 30-Prozent-Quote abzuweichen. In deren eigenem Interesse: „Das sind fast immer Leute, die man gerne als Mieter hat.“