„Stimme der Betroffenen hören“

Zainab Lantan hofft, dass sich Betroffene von Diskriminierung häufiger Hilfe holen

Foto: privat

Zainab Lantan

34, ist Antidiskriminierungsberaterin bei der Hamburger Hilfestelle Amira. Sie berät Menschen, die wegen (der ihnen zugeschriebenen) Herkunft und Religion diskriminiert werden.

Interview Kaja Weber

taz: Frau Lantan, wie können sich Menschen wehren, die Rassismus erleben?

Zainab Lantan: Jeder Mensch und jede Situation ist individuell, die Handlungsstrategien vielfältig. Wichtig ist, dass die Betroffenen sich Unterstützung holen können, zum Beispiel bei einer Beratungsstelle wie unserer.

Warum?

Viele wollen zum Beispiel am Arbeitsplatz keinen Ärger machen. Oft erfahren sie Abwehrreaktionen. Gleichzeitig sollten die Betroffenen Diskriminierung nicht hinnehmen. Da hilft es, fachliche Unterstützung zu bekommen, bevor eine Situation immer schlimmer wird. Und falls es um rechtliche Schritte geht, gelten Fristen.

Was genau machen Sie in der Beratungsstelle „Amira“?

Menschen kommen für Erstberatungsgespräche, wir entwickeln Pläne, was getan werden kann und begleiten diese auch. Viele Menschen, die Diskriminierung erleben, melden sich aber gar nicht bei Stellen wie uns. Häufig auch, weil das Angebot und ihre Rechte gar nicht bekannt genug sind.

Worüber wollen die Menschen sprechen?

Menschen werden aufgrund Ihrer Herkunft, Religion oder Ihres Aussehens schlecht behandelt. Beispielsweise, weil Sie Kopftuch tragen und muslimisch gelesen werden. Der Lebensbereich, über den die Ratsuchenden am häufigsten mit uns sprechen, ist Arbeit. Dabei geht es um Fälle direkt am Arbeits- oder Ausbildungsplatz, aber auch um die Jobsuche. Im vergangenen Jahr haben wir auch mehr von Menschen gehört, die sich von der Polizei diskriminiert fühlen, etwa bei Kon­trollen oder wenn sie selbst die Beamten anrufen.

Und was machen Sie konkret, um zu helfen?

Auch da gibt es nicht nur einen einzigen Weg: Wenn jemand eine schriftliche Beschwerde gegen eine diskriminierende Situation einreichen möchte, helfen wir dabei, einen Brief an die verantwortliche Organisation oder Person zu schreiben oder wir sind bei einem klärenden Gespräch zwischen beiden Parteien dabei. Wichtig ist uns, dass die Stimme der Betroffenen gehört wird. Wir versuchen aber mit der Perspektive der anderen Seite zu arbeiten, damit ein Gespräch möglich wird.

Vielen weißen Menschen ist es unangenehm, über Rassismus zu sprechen. Wie kann man sich als Nicht-Betroffene*r für das Thema sensibilisieren?

Erst mal ganz viel lesen und lernen, es gibt Bücher und viele Informationen online. Auch Antirassismus-Trainings helfen, mehr Bewusstsein zu schaffen. Und: Betroffenen von Rassismus zuhören. Oft gibt es Abwehrreaktionen, wenn man über Rassismus spricht. Ein erster Ansatz ist es, zu verstehen, dass wir alle von Rassismus geprägt sind. Menschen müssen für sich akzeptieren: Es ist möglich, dass man etwas Rassistisches tut. Das heißt nicht, dass man ein Nazi ist. Aber nur zu sagen: „Ich bin kein Rassist“ und abwehrend zu sein, verändert nichts.