PiS-Partei und ihre Skandale: Der Polen liebste Schurken

Die Regierungspartei PiS inszeniert sich als Vertreterin der „wahren Polen“. Deshalb können ihr haarsträubendste Skandale nichts anhaben.

Daniel Obajtek bei einer Pressekonferenz.

Skandale ohne Folgen? Daniel Obajtek, Chef des staatlich kontrollierten Mineralölkonzerns Orlen Foto: Artur Barbarowsk/Eastnews/imago

WARSCHAU taz | Polens nationalpopulistischer Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) scheint das Wasser bis zum Hals zu stehen: ein Skandal jagt den anderen – Korruption, Vetternwirtschaft, Betrug.

Nun kommt auch noch ein Abhörskandal im Zusammenhang mit Daniel Obajtek hinzu, dem Chef des staatlich kontrollierten Mineralölkonzerns Orlen. Auch tauchen ständig neue Vorwürfe gegen ihn auf: So soll er als Dorfschulze in den Jahren 2006 bis 2015 nicht nur nebenbei (und illegal) eine große Firma gemanagt und mit dem Chef einer Gruppe organisierter Kriminalität gemeinsame Sache gemacht haben, sondern auch ein Vermögen in Millionenhöhe angehäuft haben.

Borys Budka aber, der Chef der oppositionellen Bürgerkoalition (PO), zuckt nur hilflos mit den Achseln. In einem Interview mit der linksliberalen Tageszeitung Gazeta Wyborcza stotterte der Politiker vor Kurzem: „Ja, was können wir tun? Wie können wir daraus Nutzen ziehen?“ Viele Beobachter der politischen Szene fragen sich: „Wieso machen die vielen PiS-Skandale auf die PiS-WählerInnen so gar keinen Eindruck? Wieso bleibt die Zustimmungsrate auf dem hohen Niveau von 35 bis 40 Prozent?“

Die liberale Vorgängerregierung war wegen der „Kellner“-Affäre abgewählt worden. Damals empörten sich alle über die ordinäre Ausdrucksweise der PO-Politiker und Politikerinnen beim teuren Lunch auf Staatskosten.

Tintenfisch statt Schweinekoteletts

Doch der Orlen-Chef flucht in den abgehörten Telefonaten dermaßen vulgär, dass seine Verteidiger sich genötigt sahen, dafür das Tourette­syndrom verantwortlich zu machen. Angeblich leide der Manager an einem „Tick“, der ihn zwangsweise Flüche und Schimpfwörter ausstoßen lasse. Erstaunlich nur, dass ein Mann, der in einem zweistündigen Telefonat 253 Mal „Hure“ und 55 Mal „Schwanz“ schimpft, der 42 Mal verbal „auf etwas,scheißen' und 36 Mal „ficken“ muss, es bis in die Chefetage des größten Konzerns Polens geschafft hat.

Vor Jahren galt es als Skandal, dass ein PO-Minister bei seiner öffentlichen Vermögenserklärung „vergessen“ hatte, eine teure Uhr anzugeben. Heute hingegen löst weder die beachtliche Vermögensanhäufung eines ehemaligen Dorfschulzen mehr als ein Stirnrunzeln bei den PiS-Wählern aus, noch auch dass Fallenlassen von Be­trugs- und Bestechungsvorwürfen sei­tens der (PiS-)Staatsanwaltschaft, nachdem Obajtek der PiS beigetreten war.

Eine Erklärung für dieses Phänomen schlägt Jacek Kucharczyk vor, der Chef des Warschauer Instituts für öffentliche Angelegenheiten. Der PiS sei es über die Jahre gelungen, der eigenen Wählerschaft ein starkes „Wir, die wahren Polen“-Gefühl zu vermitteln. Die meisten PiS-Wähler würden nicht mehr darüber nachdenken, wem sie ihre Stimme geben sollten, da die Wahl der PiS für sie so offensichtlich sei wie das Gefühl, ein Pole oder eine Polin zu sein.

„Selbst wenn sie hören, dass der Liebling des PiS-Parteichefs […] betrügt, die Staatskasse bestiehlt und obendrein noch flucht, können sie es akzeptieren, da er ‚einer von uns‘ ist. So mag Obajtek ein Schurke sein, aber er ist unser (PiS) Schurke.“

Bei der „Kellner-Abhör-Affäre“ 2015 hätten die PiS-Wähler dem damaligen Außenminister Radoslaw Sikorski vor allem übelgenommen, „dass er Tintenfisch aß und nicht Schweinekoteletts“. Dies zeigte, dass er nicht „einer der unsrigen“ war. Statt nun aber als Opposition die vielen von der PiS als „Nicht-Wir“, „Kaste“ oder „Kommunisten“ diffamierte Polen und Polinnen um sich zu scharen und eine Gegenkraft aufzubauen, will der PO-Parteichef die drei Jahre bis zu den nächsten Wahlen einfach nur abwarten. Denn, so bekennt er offen: „Sorry, ich bin keine Revolutionär“.

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