Konzern aus Vietnam gegen Blogger: Autos, über jede Kritik erhaben

Der vietnamesische Autofabrikant Vinfast drängt auf den westlichen Markt. Dabei stört ihn ein Youtuber – dieser wird nun als „Volksfeind“ denunziert.

Fahrzeugkarosserien auf einem Anhänger in einer Fabrik.

Müssen öfter mal in die Werkstatt: Autos von Vinfast, hier die Produktion in Vietnam Foto: Thanh Hue/reuters

BERLIN taz | Herr H. hat sich einen Neuwagen gekauft: Türen und Kofferraum sind undicht, die Blinker sind fehleranfällig. Rund zehnmal war der Wagen laut seiner Darstellung nach gerade einmal 8.000 gefahrenen Kilometern in der Werkstatt. Herr H., ein einflussreicher Youtuber, erstellt ein Video, das schnell viral geht. Und der Hersteller? Er erstattet Anzeige wegen „unwahrer Aussagen“, die „die Reputation des Unternehmens beeinträchtigen“ könnten.

Der Autohersteller heißt VinFast und produziert seit 2019 die ersten einheimischen Autos in Vietnam, darunter ein E-Modell, in zunächst noch kleiner Serie. Äußerlich ähneln die Modelle einem BMW, von dem auch einige Lizenzen erworben wurden. Firmeninhaber Pham Nhat Vuong gilt als einer der reichsten Vietnamesen mit ausgezeichneten Kontakten zur Regierung.

Er produziert auch Zweiräder und Nudelsuppen und möchte seine Autos in Kürze auf dem amerikanischen und europäischen Markt verkaufen. In Österreich sind bereits zwei Testfahrzeuge zugelassen. Bei so ambitionierten Vorhaben kann der Milliardär von seiner autoritären Regierung auch so etwas wie Zensur im Internet erwarten. Denn „unwahre Aussagen“, wie er es nennt, könnten ihm das Geschäft vermiesen.

Herr H. heißt Tran Van Hoang, hat in Vietnam 455 000 Follower auf Youtube, wo er zu eher unpolitischen Alltagsthemen berichtet. Reuemütig hat er das Video längst aus dem Netz genommen. Aber das besänftigte den Autohersteller nicht, denn es wurde zuvor schon zahlreich geteilt.

Als „antivietnamesische Kräfte“ denunziert

Die Anwälte beider Seiten streiten jetzt miteinander. Und längst geht es dabei nicht nur um ein einziges Auto. Hoang wird vorgeworfen, mit seinem Video das internationale Image des wichtigen Unternehmens und des Staates Vietnam beschädigt zu haben. Nahrung erhält der Vorwurf, weil er einen Anwalt verpflichtet hat, der Me Nam („Mutter Pilz“) verteidigt hatte, eine namhafte vietnamesische Dissidentin, die 2016 wegen ihres Blogs über Umweltsünden in Zentralvietnam inhaftiert wurde und 2018 in die USA ausreisen durfte.

Aber was sollte Hoang auch tun? Es gibt wenige Anwältinnen und Anwälte in Vietnam, die überhaupt bereit sind, gegen so einen mächtigen Konzern zu prozessieren, und es liegt auf der Hand, dass die auch politische Dissidenten in der Mandantschaft haben. Im vietnamesischsprachigen Internet werden der Blogger und sein Anwalt jetzt als „antivietnamesische Kräfte“ und „Volksfeinde“ denunziert.

Es ist nicht der erste Versuch von VinFast, kritische Stimmen mundtot zu machen. Vor einem Jahr berichtete der in Berlin lebende deutschvietnamesische Onlinejournalist Trung Khoa Le kritisch über Erfahrungen einzelner Tester in Vietnam mit dem jungen Modell: Auch da war von einem undichten Kofferraum die Rede, von nicht funktionierenden Bremsen, von minderwertigen Teilen, die rosten würden.

„Mir wurde von einem leitenden Mitarbeiter von VinFast über mehrere mir persönlich gut bekannte Mittelsmänner Schweigegeld angeboten“, sagt Le der taz. Eine genaue Summe sei nicht genannt worden, „aber aus Umschreibungen ging hervor, dass um die 100.000 Dollar drin waren. Auch in Deutschland lebende Vietnamesen haben mich in meinem Büro aufgesucht und mir dieses Angebot von VinFast überbracht.“ Le hat nach eigenen Angaben abgelehnt und das Berliner LKA informiert.

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