KIRSTEN FUCHS über KLEIDER
: Na, der Style rockt aber, Baby!

Was heißt hier Mode? Bei all den neusten „In“-Trends schwirrt mir nur der Kopf

Warum ich nicht über Mode schreibe, wurde ich gefragt. Erste Antwort: Unter der Kolumne steht „Kleider“, da steht nicht „Mode“. Zweite Antwort: „Weil die taz-Leser sich keinen Trockenfloh für Mode interessieren?“ Ich gebe zu, das hab’ ich nur hingeschrieben, um lustige Protestmails zu bekommen, wäre ja gar nicht wahr, eine Frechheit …

Die ehrlichste Antwort ist: „Ich hab’ von Mode keine Ahnung, die kommt und geht, und kommt und geht, bis einem der Kopf summt.“

Ich finde schöne Kleidung schön, aber Mode finde ich wie die unterschiedlichen Namen für Kaffee: Doppio, Latte Macchiato, Latte Mocha, Ristretto, Frappé – ist ja doch nur Kaffee!

Kleidung ist wichtig. Fast den ganzen Tag haben wir Kleidung an. Mit das Erste, was wir an einem Gegenüber sehen, ist seine Kleidung. Manchmal will die uns was sagen. Manchmal will sie nichts sagen und dann sagt sie auch etwas, nämlich: Mir ist das alles nicht so wichtig.

Tja, und Mode, die will was verkaufen, möglichst viel, weshalb ständig etwas out ist, und darum weggeworfen werden muss. Steckt hinter der Mode wirklich ein Bedürfnis oder wird ein Bedürfnis geschaffen, damit ein riesiger Industriezweig davon leben kann? Verarschen die uns nur?

Wer sich viel mit Mode beschäftigt, hat vielleicht nichts anderes zu tun. Wer sich zu viel nach der Mode richtet, der kann keinen eigenen Stil haben, weil er ihn immerzu ändern muss. E-Mail-Adresse steht ja drunter, Frechheit und so …

Ich habe mir trotzdem mal vier Frauenzeitschriften gekauft, um mir einen Überblick zu verschaffen über den Wirrwarr von In-Behauptungen.

Wie ich es mir schon gedacht hatte, sind so viele Dinge „in“, dass man sich zweimal am Tag umziehen müsste.

Die Farbe des Sommers wäre „Nude“ (wie nackt), sagt die erste Zeitschrift, während die zweite Zeitschrift auf die Farbe „Aqua“ setzt, wozu die dritte Zeitschrift einfach „meine blaue Phase“ sagt und ein etwas dunkleres Blau als das Nonplusultra vorstellt, wohingegen die vierte Zeitschrift, wenn es um die Sommerfarben geht, sehr unentschlossen auf Weiß und Lila und Orange setzt. Da summt mir schon der Kopf und ich muss erst mal eine rauchen.

Bei den Schuhen sieht es ähnlich aus: Chucks, Cabrios, Mokassins, Ballerinas, Zehen-Sandalen. Jede Frau sollte drei paar Beine haben!

Dann könnten davon auch ruhig zwei Raucherbeine werden – ich steck mir ’ne neue Zigarette an und widme mich den sonstigen Trends.

Die eine Zeitschrift schreibt über den Vespa-Look, ebenso Karmaketten und die neue Häkelmode, die jetzt „crochet-Style“ heißt; während die zweite Zeitschrift Rock-Baby-Style, Bermudas und große Ohrringe als Trends anordnet, ganz anders als die dritte Zeitschrift, die Retro-Look, Casual Chic, Ethno-Trend, 70s-Style, Marine-Chic und Folklore dufte findet; und das alles in der Saison, in der die dritte Zeitschrift zu absoluter Strandoptik aufruft (Korbtaschen, Beachclub, nostalgische, von der Sonne ausgebleichte Kleider).

Größere Trends finde ich nur mit dem Prinzip „Schiffe versenken“: Treffer und noch ein Treffer, versenkt. Was in mindestens zwei Zeitschriften auftaucht, muss wohl wirklich „in“ sein. Mit jeweils zwei Treffern: Pailletten, Tunika, Ethno-Gürtel, griechische Faltenoptik aus Plisseestoff. Aha! Okay!

Ich rauche und genieße die Beschreibungen der Modefotos: „Wickelkleid mit Flügelärmel, gekräuselter Brustpartie, seitlich gebundenem Schluppenkragen und asymmetrisch perlenverziertem Zackensaum aus fließendem Jersey, wird per Tunnelzug auf Taille gezurrt, das schmale Bindeband gibt dem ganzen einen verspielten Touch.“ Huh, wie schön, ich könnt heulen, aber ich rauch erst mal eine.

Ich ärgere mich, dass ich als Autorin meine Zigaretten nicht von der Steuer absetzen kann. Die Zeitschriften kann ich von der Steuer absetzen, denn ich hab’ ja jetzt über Mode geschrieben.

Um welche Zeitschriften es sich dabei gehandelt hat, ist doch egal. Ich sag’ ja auch nicht, was für Zigaretten ich rauche. Sie sind auf jeden Fall weiß mit orangefarbenem Filter, das sind die Zigarettenfarben dieses Jahr.

Fragen zur Mode? kolumne@taz.de Morgen: Robin Alexander SCHICKSAL