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: Wenn der Test fast Spaß macht

Ich schicke der Apothekerin eine E-Mail: „Danke, dass bei Ihnen im Team alle so freundlich sind.“ Das sei leider nicht mehr selbstverständlich, füge ich hinzu und später bereue ich das nicht nur, sobald ich auf „send“ klicke, sondern komme mir auf einmal wegen dieses Kommentars vor wie eine ältere Dame, die immer „Früher war alles besser“ meint, egal was ihre Wörter sind. Ich hoffe, dass sie mich doch nicht bei meinem nächsten Apothekenbesuch wiedererkennt.

Ich tauche jede Woche bei ihr auf, um mich testen zu lassen – Coronabürgertest. Ein paarmal war ich beim Testzentrum in der Leinestraße und das war auch in Ordnung. Wenig Leute, Fußmarkierungen auf dem Boden, die an Flughäfen erinnern. Einmal habe ich es am Hermannplatz versucht, doch da waren so viele Menschen, nicht nur an der Schlange, sondern überhaupt in der Gegend, dass ich wieder schnell erschreckt nach Hause gefahren bin. In „meiner“ Apotheke am Schiller-Kiez scheint mir immer die Sonne zu scheinen. Die Stimmung ist locker und gutgelaunt und das hilft mir, denn ich bin weiterhin vor und nach dem Test so aufgeregt, als würde ich eine wichtige Prüfung bestehen müssen.

Würde es sich das Ganze nicht um eine Pandemie drehen, würde ich dieses Piksen des Stäbchens (vom Gefühl her) im Gehirn nicht als reine Folter wahrnehmen, würde ich sagen, dass es mir Spaß macht, dorthin zu gehen. Am Schaufenster gibt es eine Ampel: Wenn sie grün ist, darf man durch den Eingangsflur zum kleinen Testraum spazieren, als würde man gleich bei einem Nachbarn klingeln, um Kaffee zu trinken.

Um das Leiden beim Test zu mindern, ist zum Glück die Mitarbeiterin mit den flauschigen Wimpern und den braunen Augen immer am Start. Sobald ich mich um die Ecke hinsetze, kann ich nicht aufhören, auf ihre Wimpern zu achten, denn sie sehen für mich aus, als hätten sie ein eigenes Leben. Dank dessen finde ich die Prozedur weniger schlimm, sie geht schneller vorbei. Vielleicht bin ich deswegen immer wieder da gewesen.

„Ich kenne sie“, sagt sie einmal ihrem Kollegen und mein Herz klopft so laut, dass ich Angst habe, die beiden können es auch hören. „Hola“, sage ich ihr (wir hatten uns bereits einmal kurz auf Spanisch unterhalten). Dann sagt sie Stopp zu ihm, als ich meine Hand hebe, weil ich trotz Ablenkung den Test nicht gut aushalten kann.

Das alles erwähne ich bei meiner Danknachricht an die Apothekerin nicht.

Als ich wieder da bin, ist der Mann ganz allein in kleinem Raum. Ich schaue mich um, nichts. „Das tut nicht weh“, sagt er mir beim Anblick meines Gesichtsausdrucks. „Das ist nicht wahr“, rutscht es mir mit einem wütenden Ton raus und ich suche mit dem Blick weiter, zum Beispiel nach einer Geheimtür (eine Alice-im-Wunderland-Tür) durch die die Frau mit den Wimpern jederzeit auftauchen kann und wird. „Doch“, antwortet er ungerührt. Automatisch setze ich die Maske runter, ohne weiter zu diskutieren, er macht den Abstrich auf beiden Seiten meiner Nase, routiniert. Das Stäbchen bohrt nur kurz in der Nase herum und geht nicht tief in den Kopf hinein. Er hat recht, es tut gar nicht weh. „Jetzt haben wir eine neue Methode“, erklärt er. „Ach, so“, sage ich, halb erleichtert, halb enttäuscht, als sei es deshalb, dass seine Kollegin plötzlich nicht mehr dabei ist. Luciana Ferrando