Somalias „stiller Krieg“ gegen al-Qaida

In dem staatenlosen Land am Horn von Afrika sollen sich militante Islamisten festgesetzt haben. Deswegen wird mit ausländischer Militärhilfe eine neue Regierung eingesetzt, die „Krieg gegen den Terror“ führen soll – eine gefährliche Strategie

Die UNO berät über eine teilweise Aufhebung des Waffenembargos

VON DOMINIC JOHNSON

„In Somalia wird ein stiller, schmutziger Krieg geführt. In den von Trümmern übersäten Straßen der zerstörten Hauptstadt dieses Staates ohne Regierung befinden sich Al-Qaida-Aktivisten, Dschihad-Extremisten, äthiopische Sicherheitsdienste und vom Westen unterstützte Antiterrornetzwerke in einem undurchsichtigen, komplexen Machtkampf, geführt mit den Mitteln der Einschüchterung, der Entführung und der Ermordung.“

Die Diagnose der renommierten „International Crisis Group“ (ICG) zur Lage in Somalia könnte düsterer kaum sein. Und sie wurde – wohl zufällig – am gleichen Tag veröffentlicht, als der Mord an einem der prominentesten Friedensaktivisten des Landes bekannt wurde. Abdulqadir Yahya Ali wurde in Mogadischu in seiner Wohnung vor den Augen seiner Frau erschossen.

Somalische Webseiten quellen seitdem über vor traurigen Huldigungen, und UN-Generalsekretär Kofi Annan verurteilte den Mord als Rückschlag für Somalias Friedensprozess. Geradezu grotesk mutet es daher an, dass der UN-Sicherheitsrat ab heute über eine teilweise Aufhebung des seit 1992 geltenden Waffenembargos gegen Somalia beraten soll. Das soll der international anerkannten Regierung Somalias unter Präsident Abdullahi Yusuf helfen, die letztes Jahr in Kenia gebildet wurde und bis heute in Somalia selbst keine Macht ausübt.

Dass diese Regierung dafür eine Aufhebung des Waffenembargos sowie eine mehrere tausend Mann starke afrikanische „Friedenstruppe“ braucht, zeigt, dass ihre Einsetzung in Somalia mit Gewalt erfolgen wird – und daher dem zerrissenen Land eher mehr Krieg als mehr Stabilität bieten dürfte. Erst am 5. Juli warnte ein UN-Komitee, illegale Waffenströme nach Somalia nähmen zu und heizten Konflikte zwischen Somalias Warlords an. Es gibt keine neutrale Stelle in Somalia, die zwischen legalen und illegalen Waffenimporten in das Land unterscheiden könnte.

In Mogadischu residiert Präsident Yusuf nicht; das ist ihm zu gefährlich. Die Regierung ließ sich am 13. Juni in der Kleinstadt Jowhar nieder, 90 Kilometer nördlich der Hauptstadt. Anfang Juli stieß der Präsident kurzzeitig dazu und verkündete, er werde jetzt Soldaten für eine neue Armee rekrutieren. Dann zog er sich wieder in seine Hochburg Galcayo zurück, Hauptstadt des „autonomen“ Staates Puntland in der Nordostecke Somalias. Dort regiert Yusuf als Warlord.

Yusuf gilt als solider Verbündeter Äthiopiens am Horn von Afrika, und Äthiopien ist der engste Verbündete der USA in der Region. Die Regierung Yusuf steht daher an vorderster Front des von den USA und Äthiopien unterstützten Kampfes gegen radikale Islamisten in Somalia. Diese waren in den Zeiten des Bürgerkrieges der 90er-Jahre in Somalia sehr stark geworden, und zahlreiche UN-Untersuchungen sagten ihnen Verbindungen zu al-Qaida nach sowie zu militanten Gruppen in Ostafrika, die unter anderem in Kenia 1998 und 2002 blutige Terroranschläge verübten.

Der rechtsfreie Raum Somalia, wo es seit 1991 keine funktionierende Regierung mehr gibt, bietet sich als Rückzugsgebiet für bewaffnete Gruppen und Transitland für Schmuggel aller Art geradezu an. Unter anderem deswegen überwachen die USA und europäische Staaten, auch Deutschland, aus dem Nachbarland Dschibuti heraus die Seewege um Somalia. Und für jeden somalischen Warlord ist die Behauptung, Somalia wimmele vor Terroristen und nur er könne dagegen etwas tun, der beste Weg zu politischer Anerkennung.

Im März berichtete das für die Überwachung der geltenden Sanktionen zuständige UN-Komitee, Somalia sei ein Hort von militanten Islamisten geworden, die dort über ein Netzwerk von Trainingslagern verfügten. Die „International Crisis Group“ relativiert das in ihrem diese Woche veröffentlichten Bericht: Zahlenmäßig seien die Al-Qaida-Sympathisanten in Somalia eher gering, aber sie verfügten über erhebliche Schlagkraft. „Die Mitglieder der somalischen Zelle von al-Qaida gehören zu den gesuchtesten Flüchtigen der Welt“, so der Bericht.

Dazu gehörten der Komorer Fazul Abdullah Mohammed, der die Anschläge auf Touristen im kenianischen Mombasa im Dezember 2002 aus Somalia heraus organisiert haben soll. Geführt von dem aus Afghanistan zurückgekehrten Milizenführer Aden Hashi Ayro seien weitere, seit 2003 neu aufgetauchte einheimische Islamisten für die Ermordung von vier ausländischen Mitarbeitern von Hilfswerken in Somalia verantwortlich, darunter ein Anschlag auf die deutsche GTZ (Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit) im Nordwesten, der als „Republik Somaliland“ eine eigene Regierung hat.

Der ICG-Bericht beschreibt detailliert, wie Spezialeinheiten aus Äthiopien und aus der US-Basis in Dschibuti Terrorverdächtige in Somalia jagen, mit dem Segen der neuen Regierung von Präsident Yusuf. Dies sowie das Bestreben Yusufs, seine Macht mit einer afrikanischen Eingreiftruppe abzusichern, bringt viele Somalis gegen den Präsidenten auf – sogar Mitglieder seiner Regierung, die seit einigen Wochen tief zerstritten ist. Puntland, Yusufs Hochburg in Somalia, soll als geheimer Haftort für von den USA verdächtigte Al-Qaida-Mitglieder gedient haben.

„Sollte der UN-Sicherheitsrat jetzt eine Ausnahme für das Waffenembargo gegen Somalia beschließen, steht das Land vor einer ernsten Bedrohung sich rasch ausbreitender Gewalt“, warnt ICG nun. Jede ausländische Militärintervention in Somalia würde neue Kriege produzieren, da es keinen politischen Prozess zwischen der Regierung Yusuf und den einheimischen Warlords gebe. Die internationale Gemeinschaft, UNO und Afrikanische Union (AU) voran, setzt aber mit dem Segen der USA und der EU einseitig auf Yusuf als Stabilitätsbringer.