ORTSTERMIN: GÖTTINGER FORSCHER STELLEN BUCH ÜBER NIEDERSACHSENS LANDESVÄTER VOR
: Geheimnisse der Macht

„Ich habe meinen Vater noch nie so schnell ans Telefon laufen sehen“

Ursula von der Leyen, Albrecht-Tochter

Hektisch stoßen Fotografen und Kamerafrauen im engen Presseraum des Niedersächsischen Landtags in Hannover zusammen. Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) ist gekommen, als Tochter des früheren Ministerpräsidenten Ernst Albrecht kennt sie sich bei dem Thema gut aus: „Die Ministerpräsidenten des Landes Niedersachsen“ heißt das Buch, das heute vorgestellt wird. Geschrieben hat es eine Forschergruppe vom Göttinger Institut für Demokratieforschung. Der Oberforscher Franz Walter ist da, und, sozusagen als Betroffener, der amtierende Ministerpräsident von Niedersachsen, David McAllister (CDU).

In dem Buch geht es um die Regierungsstile und darum, was einen guten Ministerpräsidenten ausmacht: Er müsse „die Botschaft, die er rüberbringen will, auf verschiedenen Niveaus deklinieren“, sagt von der Leyen, und dass die neun niedersächsischen Landesväter zwischen 1946 und 2010 diese Aufgabe allesamt gemeistert hätten, was ihren Vater einschließt, aber eben auch seine Nachfolger von der SPD.

Ein „Habitus des Kümmerns“ werde in einer alternden Gesellschaft immer wichtiger, sagt Politologe Walter. Dann spricht er vom Vater von der Leyens, von Gerhard Schröder, Sigmar Gabriel (beide SPD) und Christian Wulff (CDU). Die Karriere dieser Männer zeige, dass das Amt des Ministerpräsidenten zu einem „potenziellen Katapult“ in die Bundespolitik geworden sei. „Jetzt ist man da vorsichtiger, man sagt das nicht so deutlich“, sagt Walter und wirft McAllister einen langen Blick zu, der auf ein Pokerface prallt. Der amtierende Ministerpräsident beobachtet die Buchvorstellung bloß und äußert sich nicht.

Einige Sekunden später lacht McAllister dann aber doch los, als Walter erzählt, dass er es sich „eisern geschworen“ habe, keine Kommentare über den derzeitigen Landesvater abzugeben, denn „der dreht mir dann den Geldhahn ab“. Mit 199.000 Euro sei das Buchprojekt über drei Jahre vom Land Niedersachsen gefördert worden, antwortet Walter einem nachhakenden Reporter.

Ursula von der Leyen berichtet, das Lesen des Kapitels über ihren Vater sei für sie eine „Reise in die Vergangenheit“ gewesen. Ihr sei aufgefallen, „wie langsam Politik war“, ohne Handys und Internet. Sie habe sich an einen Sonntag in den 1970ern erinnert, als ihr jüngerer Bruder Donatus noch im Grundschulalter war und an das klingelnde Telefon ging. Kurz darauf kam er zurück und erzählte, ein Herr Genscher sei dran gewesen und er habe aufgelegt. „Ich habe meinen Vater noch nie so schnell ans Telefon laufen sehen“, sagt sie.

Ein Buch über die Lebensgefährtinnen der Ministerpräsidenten braucht es ihrer Ansicht nach nicht: „In Zukunft“, sagt von der Leyen, „wird es Bücher über die Ministerpräsidentinnen geben.“  ALEXANDER KOHN