Acht Bayern sollt ihr sein

Die Dominanz des FC Bayern im deutschen Fußball spiegelt sich auch im EM-Kader wider. Starke Blöcke können Erfolg bringen, die WM-Blamage 2018 hat die Bayernbande nicht verhindern können

Aus Seefeld Maik Rosner

Für diesen Dienstag wird Leon Goretzka beim deutschen Nationalteam in Seefeld erwartet, rund 36 Stunden nach Toni Kroos und rechtzeitig zum Bergfest des Trainingslagers in Tirol. Wie Kroos (nach Corona-Infektion) wird auch Goretzka (nach Muskelfaserriss) zunächst im Aufbau herangeführt an die übrigen 20 Spieler, die sich hier bereits seit Freitag auf die EM vorbereiten. Die übrigen vier Kadermitglieder – Kai Havertz, Timo Werner und Antonio Rüdiger vom Champions-League-Gewinner FC Chelsea sowie Ilkay Gündogan vom unterlegenen Manchester City – sollen am Donnerstag kommen. Erst dann hat Bundestrainer Joachim Löw seinen 26-köpfigen Kader für die EM komplett beisammen. Der große Bayern-Block im Team aber wird mit Goretzkas Ankunft bereits vollzählig sein.

Gleich acht Spieler vom deutschen Dauermeister hat Löw für sein Abschiedsturnier nominiert, mehr gab es in der DFB-Geschichte bei keinem Turnier von einem Verein. Und schon jetzt ist ziemlich klar, dass die Bayern-Profis auch ungefähr die Hälfte der Startelf stellen werden. Als gesetzt dürfen ja Manuel Neuer, Joshua Kimmich, Thomas Müller und Serge Gnabry gelten, zudem ist sehr wahrscheinlich mit Leroy Sané zu rechnen. Sollte Goretzka rechtzeitig fit werden, käme auch er für die erste Elf in Betracht. Zudem stehen noch Niklas Süle und Jamal Musiala im Kader. Sollte Süle seinen Fitnessrückstand aufholen und Löw womöglich auch mal eine Dreierkette aufbieten, wäre auch der Innenverteidiger von Beginn an denkbar. Ausgeschlossen ist nicht einmal, dass zuweilen sogar alle acht Spieler des FC Bayern nach Einwechslungen gleichzeitig auf dem Feld stehen könnten. Für Uli Hoeneß wäre das so etwas wie die Erfüllung seines Traums vom FC Bayern Deutschland.

Die Dominanz der Münchner im DFB-Kader erzählt zugleich viel über die Unwucht in der Bundesliga. Für Neuer ist das kein Problem: „Gerade in den erfolgreichen Zeiten der Nationalmannschaft gab es immer viele Spieler des FC Bayern. Das haben wir jetzt auch“, hat der Torwart und Kapitän in Seefeld festgestellt. Der Vorteil sei, „dass man die Abläufe kennt und weiß, wie die Automatismen auf dem Platz sind“. Diesmal kommt als zusätzlicher Faktor die vertraute Arena in München hinzu, in der die deutsche Mannschaft ihre drei Gruppenspiele austragen wird, womöglich sogar vor einem fünfstelligen Publikum. Hinzu kommen die drei ehemaligen Bayern-Profis Kroos, Mats Hummels und Emre Can.

Vereinsblöcke standen in der WM- und EM-Historie oft für Erfolg. Wie 1954, als fünf Spieler aus Kaiserslautern maßgeblich zum ersten WM-Titel beitrugen. Oder wie zum zweiten 1974 die sieben Bayern und fünf Gladbacher. Sechs Bayern waren es beim dritten WM-Titel 1990 und sieben beim vierten 2014. Als 2002 am Ende Platz zwei stand, bildeten den größten Block jene fünf Leverkusener, die kurz vor der WM schon mit ihrem Verein dreimal Zweiter geworden waren.

Ein besonders prominentes Gegenbeispiel zu der These, dass Blöcke den größten Erfolg versprechen, bietet die WM 2018 in Russland. Beim bislang letzten Turnier vor drei Jahren verabschiedete sich Deutschland als Titelverteidiger mit sieben Bayern im Kader schon nach der Gruppenphase.

Löw hat sich zum Bayern-Block bereits geäußert, als er seinen Kader letztmals zusammenhatte. „Ein Block kann helfen, und im Moment ist es sicherlich gut, dass die Bayern so aufeinander abgestimmt sind“, sagte Löw Ende März bei seinem EM-Ausblick. Einen Block gezielt zu bilden sei aber „kein Kriterium“, es zähle „die Qualität des einzelnen Spielers“. Auch beim Turnier dürfte somit gelten, was Löw vor zwei Monaten sagte, als er auf den erst 18 Jahre alten und aktuell leicht angeschlagenen Musiala verwies. Der benötige noch Zeit, um in die Rolle des Stammspielers reinzuwachsen, sagte Löw, „ich denke nicht, dass acht Bayern-Spieler in der Anfangsformation sein werden“.