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Pädagogisch-gütige Mumingeschichte

Es ist zwar ein bisschen klischeehaft, vielleicht auch überpädagogisch. Aber ein schönes, lustiges, gütiges Kinderbuch ist es trotzdem, das von den Mumins und der schüchternen, unsichtbaren Ninni. Das ist dadurch gekommen, dass sie bei einer Tante lebte, die sie nicht mochte und ihr nicht einmal das Spielen beibrachte. Nun sollen in dem schön illustrierten Buch „Die Mumins und der unsichtbare Gast“ die Trollfamilie der finnlandschwedischen Autorin Tove Jansson es richten. Und natürlich, sie schaffen es – teils mit Mumin-Großmutters Heiltrank, teils mit beiläufiger Akzeptanz des kleinen Wesens, wie es nun mal ist. Und siehe da, nach und nach kommen Füße, Kleid, Haarschleife zum Vorschein. Und als Ninni richtig wütend wird, erscheint sogar ihr Gesicht. Eine Entwicklungsgeschichte mit Atmosphäre und Humor auch für die erwachsenen Vorleser.

Cecilia Davidsson (Text) und Filippa Widlund (Illustrationen): Die Mumins und der unsichtbare Gast. Nach einer Erzählung von Tove Jansson, aus dem Schwedischen von Birgitta Kicherer. Verlag Urachhaus 2021, 36 S., 18 Euro

Subversive Märchen aus dem hohen Norden

Anrührend und schlau sind sie, die nordeuropäischen Tiermärchen im Band „Von Fuchs, Wolf und Bär“, die vor allem aus Finnland stammen. Deren Lesegenuss – für die Vorlesenden wie für die Kinder – gründet sich nicht nur auf die Geschichten selbst, sondern auch auf die humorvollen Illustrationen: Munter schwimmen da zum Beispiel zwei, drei, zehn kleine Schweinsköpfchen im Fluss, weil die Mutter den Wolf überredete, die Kleinen erst taufen zu dürfen, bevor er sie frisst. Anderswo steht die Maus im Schneiderkittel auf einem Schemel und vermisst die Wampe der Riesenkatze. Anderswo sucht ein selbstmitleidiger Specht unsere Aufmerksamkeit, so ganz untypisch für diese stolze Spezies. Und immer schön subversiv das alles, denn der eitle Fuchs, der stolze Hahn und andere von sich Überzeugte haben das Nachsehen: Das Märchen ist, wie der Humor, Trost und Waffe der Machtlosen.

Pirkko-Liisa Surojegin: Von Fuchs, Wolf und Bär … Tiermärchen aus dem hohen Norden. Aus dem Finnischen von Elina Kritzokat. Verlag Urachhaus 2021, 175 S., 25 Euro

Humorige
Behindertengeschichten

Der jetzt schon 14-jährige Willi ist ein besonderer Jugendlicher. Er hat das Down-Syndrom, eine jüngere Schwester, einen Vater – und eine Mutter, die seit Jahren humorige Kolumnen und Bücher über das Zusammenleben mit Willi schreibt. „Willis Welt“ war das erste Buch, „Wo ein Willi ist, ist auch ein Weg“ das zweite. Die Sammlung „Willis Welt“ ist jetzt, sieben Jahre nach der gebundenen Ausgabe, als Taschenbuch erschienen, und besonders erfrischend ist das Vorwort: Sie habe sich entschieden, über einen „Behinderten“ zu schreiben und nicht über einen „Menschen mit sonderpädagogischem Förderbedarf“, denn so eine Umschreibung empfinde sie oft als Feigenblatt. „Statt sich wirklich mit behinderten Menschen zu beschäftigen, wird ständig um die Sprache gefeilscht“, schreibt sie. „Aber hübsche Wortschöpfungen lösen keines unserer Alltagsprobleme – auch nicht, wenn sie englisch sind.“ Erschrocken war sie, als Heilpädagogik-StudentInnen zugaben, zwar über „Behinderung als rein gesellschaftliches Konstrukt“ zu forschen, aber nie darüber, was Behinderung konkret für Menschen bedeute. „Ich hätte mehr davon, wenn jemand von den Studis mit Willi öfter mal einen Ausflug in den Zoo machen würde.“ Das ist pragmatisch und klarsichtig. Und entlarvt politisch korrekte Sprache – falls sie nicht mit konkretem Alltagshandeln einhergeht – als Feigenblatt derer, die reden statt zu handeln, um sich ein gutes Gewissen zu machen. Auch dass Behinderung qua Sprache weder weggewünscht noch gelindert wird, belegen Müllers Geschichten von Willi, der mit 14 weder zählen noch zur Toilette gehen kann.

Birte Müller: Willis Welt. Der nicht mehr ganz normale Wahnsinn. Verlag Freies Geistesleben, 1. Auflage als Taschenbuch, 2021, 235 S., 14 Euro